Viele Wege führen zum Frieden
Die Aufforderung, Gewalt zu vermeiden, Frieden zu schaffen ohne Waffen, entnehmen Christen der Bibel: »Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar« (Matthäus 5,39).
Von Sabine Kuschel
Berühmt die Verheißung des Propheten Micha: »Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln.« Aus diesen und anderen Bibelabschnitten, insbesondere auch aus der Bergpredigt, lässt sich eine pazifistische Haltung ableiten.
Sind der Glaube an Jesus Christus und Kriegsdienst miteinander vereinbar? Darf ein Christ als Soldat eine Waffe in die Hand nehmen und sie gegebenenfalls auch gebrauchen?
Für Martin Luther ist die Sache klar. Mit seiner Unterscheidung von zwei Reichen, dem göttlichen und dem weltlichen, geht er von den zwei Regimenten Gottes aus. Während das geistliche Regiment fromm mache, regiert Gott im weltlichen Regiment durch das Schwert der Obrigkeit, das dem Bösen wehrt und Frieden schafft. Damit ist für den Reformator Soldatsein und Glaube an Jesus Christus vereinbar.
Beschäftigen Soldatinnen und Soldaten in der Kaserne solche Fragen? »Das Thema ist sehr virulent«, sagt Barbara Reichert, Militärpfarrerin im thüringischen Sondershausen. Sie begleitete Soldaten bei ihren Auslandseinsätzen in Afghanistan und im Irak in der Nähe von Mossul. Dort sehen die Soldaten so viel Not und würden sich fragen, ob ihr Einsatz überhaupt ausreicht, um der Gewalt Einhalt zu bieten. Was den Gebrauch der Waffe anbetrifft, gebe es genaue Vorschriften und ganz strenge Bedingungen. Die Soldaten stünden im Dienst einer Verteidigungs- und Schutzarmee, betont die Pfarrerin. Der Einsatz der Waffe sei die Ultima Ratio, das allerletzte Mittel. »Jede Munition, jeder Schuss wird gezählt. Die Waffe muss immer gesichert sein.« Sollte – unbeabsichtigt – ein Schuss losgehen, müssten die Soldaten mit einer Strafe bis zu 4 000 Euro rechnen und würden sofort nach Hause geflogen, schildert die Theologin. Sie sieht den Einsatz der Bundeswehr in Kriegsgebieten als einen wichtigen Schritt zum Frieden. Die Pfarrerin ist überzeugt, dass es nicht nur den einen pazifistischen Weg gibt, sondern viele Wege zum Frieden führen. Sie erkennt den pazifistischen Weg als einen richtigen an. Aber auch »unser Weg ist ein ganz wichtiger, um etwas für den Frieden zu tun«.
Sie selbst habe früher eine eher pazifistische Haltung vertreten, so Reichert. In einem nicht christlichen Elternhaus aufgewachsen, findet sie durch die Friedensarbeit in die Junge Gemeinde. »Ruanda hat mich zum Umdenken gebracht.« Angesichts des Völkermordes 1994 in Ruanda habe sie gelernt: Wenn zwei sich streiten, braucht es eines Dritten zum Schlichten. »In einem solchen Konflikt geht es nicht ohne rechtserhaltende Gewalt. Wenn wir in Ruanda früher eingegriffen hätten, hätten wir einen Genozid verhindern können.«
Zum Bild in der Kaserne gehören heute selbstverständlich Frauen, aber sie sind nur wenige. Die meisten Soldaten sind Männer. Wie ist das als Militärpfarrerin, als Frau in der Kaserne? Barbara Reichert erlebt ihre Arbeit als »erfüllend«. Sie hat den Eindruck, »sehr gebraucht zu werden« und sie erfährt große Offenheit und Dankbarkeit. Als sie ihren Dienst vor einigen Jahren antrat, habe sie gedacht, »die brauchen keine Frau über 50«. Aber diese Vermutung hat sich als falsch erwiesen. Sie könne den Soldaten mütterlich, mit ihrer Lebenserfahrung begegnen. Oft sind es Ehe- und Beziehungsprobleme, die die Männer zur Seelsorgerin führen. »Haben Sie mal fünf Minuten Zeit?« Bei einer solchen Frage ahne sie meistens, dass »das die Spitze vom Eisberg ist« und aus dem Fünf-Minuten-Gespräch oft seelsorgerliche Begleitung über fünf Tage wird.
»Die Soldaten kommen, ziehen ihre Jacke aus und fangen an zu weinen«, berichtet die Pfarrerin über ihre Erfahrungen. Sie reden offen über ihre Sorgen und sagen hinterher nicht selten: »Das hätte ich keinem Mann gesagt.«
Sabine Kuschel
Autor:Adrienne Uebbing |
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