Axel Noack: Warum Gemeindewachstum so schwer zu bewirken ist
Die Mitte fehlt
In diesen Tagen blickt auch Axel Noack öfter zurück auf die aufregenden Monate vor dem Mauerfall vor 30 Jahren. Der frühere Bischof der Kirchenprovinz Sachsen war seit Mitte der 1980er-Jahre und bis zu seinem Wechsel ins Bischofsamt 1997 Pfarrer in Wolfen im Kirchenkreis Bitterfeld. Dort erlebte der Theologe, der sich als „linker Pietist“ versteht, den Mauerfall und den Zusammenbruch der DDR. Er erlebte auch, wie Menschen im Herbst 1989 in großer Zahl in die Kirchen strömten – und sie in den Monaten danach in großer Zahl wieder verließen. „Von den etwa 150 Leuten, die an einem Tag in der Wolfener Kirche waren, war vier Jahre später fast keiner mehr im Osten“, erinnert er sich. Die Menschen waren der Arbeit nach in den Westen gegangen. Die Kirchengemeinden blieben klein, wie sie waren, und schrumpften in der Folgezeit weiter.
Axel Noack war kaum überrascht. „Es sind schlimme gesellschaftliche Verhältnisse“, sagt er, „wenn sich Parteien und Bürgerbewegungen unter dem Dach der Kirche, in kirchlichen Räumen gründen müssen.“ Etwa die Bewegung „Demokratie Jetzt“, die ihre Wurzeln in einem Arbeitskreis der Berliner Bartholomäusgemeinde hatte, oder die Sozialdemokratische Partei der DDR, die im Pfarrhaus von Schwante bei Oranienburg gegründet wurde. Durch den Weggang von etwa vier Millionen Menschen aus der DDR bis zum Mauerbau 1961 und die kirchenfeindliche Politik der SED seien die Kirchengemeinden seit Jahrzehnten geschrumpft. Ab 1990, mit dem Bekanntwerden der Stasi-Verstrickungen von Pfarrern, anderen Kirchenbeamten und kirchlichen Mitarbeitern, sei das Vertrauen in die Kirchen wieder gesunken. Auch das sitze bis heute in den Köpfen fest.
Das große Problem im Osten sei, dass durch den Weggang so vieler Menschen die bürgerliche Mitte fehle, die das Gemeindeleben seit je her mitgestaltet habe. „Und es ist leider auch so, dass christliche Eltern ihre Kinder nicht automatisch christlich erziehen“, so Axel Noack. Deshalb schreite das Kleinerwerden der Gemeinden fort. „Und das kann uns als Kirche nicht egal sein.“ Dass Kirche Trägerin von Kitas, Grundschulen und Gymnasien ist, die viele Kinder aus nicht-christlichen Familien besuchen, hält er für einen richtigen Weg. Es müssten aber mehr Sekundarschulen hinzukommen. Dass man Erwachsene, die sich einst in Scharen von der Kirche abgewandt hatten, nur einzeln wiedergewinnen könne, hat Axel Noack oft gesagt. Nur sei dieses Wiedergewinnen wegen der Stellenkürzungen bei Pfarrern und anderen Mitarbeitern heute noch schwieriger geworden, bedauert er. „Die Mitgliederzahl darf doch nicht die einzige Stellschraube für den Personalschlüssel sein.“ Da müssten andere Wege gefunden werden, um das Wachstum der Gemeinden zu fördern. Die Beispiele von Chören oder Kirchbauvereinen zeigten, dass sich Menschen zumindest ansprechen lassen, wenn sie konkrete Aufgaben haben.
Axel Noack hofft, „dass wir als Kirche nicht resignieren und fröhlich kleiner werden, ohne die Hoffnung auf Wachstum aufzugeben“. Und er wünscht sich, dass die Kirchengemeinden, wie im Jahr 1989 und erst Anfang Oktober in Halle geschehen, „immer wieder ihre Türen öffnen, wenn es notwendig sein sollte“.
Angela Stoye
Autor:Online-Redaktion |
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