Eine klare Anweisung
Jahreslosung: »Suche den Frieden und jage ihm nach« heißt es im Gesang des Psalmes 34. Und in dieses Lied möchte ich kräftig mit einstimmen.
Von Renke Brahms
Denn der Frieden droht uns verloren zu gehen oder ist in manchen Gegenden der Welt, auf manchen unserer deutschen Straßen und den Landschaften des Internets schon verloren gegangen. Es gibt so viele Konflikte auf dieser Erde, die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben und zur Flucht zwingen, es gibt so viele Tote in Bürgerkriegen und Opfer im Kampf der Großmächte und Nachbarstaaten wie in Syrien, im Jemen und anderswo. Wir kommen den vielen Nachrichten und Bildern ja kaum noch hinterher – und mögen uns vielleicht dem auch gar nicht mehr aussetzen und schalten lieber ab.
Der Frieden ist auch bei uns keineswegs selbstverständlich. Wo immer Menschen ausgegrenzt werden wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, politischen, religiösen oder sexuellen Orientierung; wo immer Menschen in ihrer Würde verletzt werden, ist der Frieden noch nicht wirklich erreicht.
Dabei haben wir so viel erreicht nach den schrecklichen beiden Weltkriegen: die Suche nach dem Frieden hat in unserem Land und in Europa zu Versöhnung und Verständigung geführt. Der biblisch-christliche umfassende Friedensgedanke hat sich hineinentwickelt in ein Verständnis von Würde und Geschwisterlichkeit, festgehalten in Menschenrechten und Grundgesetz. Mauern wurden in unserem Land friedlich eingerissen und ein Land konnte sich wiedervereinigen. Daran erinnern wir uns im Herbst 2019! Das alles ist doch nicht geschehen, um 30 Jahre später wieder Mauern aufzurichten in unseren Köpfen, zwischen verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft oder an unseren Grenzen.
Die Lehren aus der Geschichte hundert Jahre nach dem Ende des 1. Weltkrieges und der folgenden Jahre dürfen doch nicht schon wieder vergessen sein. Wie kann es bloß sein, dass der Antisemitismus wieder auf erschreckende Weise wächst und der menschenverachtende Hass auf anders Denkende und Lebende so groß ist? Die Schritte zur Überwindung der nationalen Interessen haben doch nicht stattgefunden, um heute wieder nur national oder nationalistisch die eigenen Interessen zu verfolgen – und diese mit militärischen Mitteln zu sichern und uns dabei wieder an Krieg und Gewalt als Lösung zu gewöhnen.
Suche den Frieden und jage ihm nach! Das ist die Erinnerung an den Frieden, der schon da ist. Wir gehen mit dem Rückenwind von Weihnachten in das neue Jahr. In der Krippe ist uns doch der begegnet, der »Friedefürst« genannt wird. Aus dem Kind wurde der, der die Friedensstifter seligpries und der unser Friede ist. Auf diesen Frieden gehen wir zu und nach ihm dürfen wir uns ausstrecken und Kraft von ihm erbitten.
Die Jahreslosung ist die Aufforderung, uns auf den Weg des Friedens zu machen – einen Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, wie er vom Ökumenischen Rat der Kirchen ausgerufen wurde. Auf diesem Pilgerweg gibt es viele Geschichten, die Hoffnung und Mut machen. Von der Stiftung für Entwicklung im Sahel, die nachhaltige Entwicklung in Mali fördert, über die Dörfer der Versöhnung in Ruanda, in denen sich Täter und Opfer des grausamen Völkermordes entschieden haben, zusammen zu leben und sich zu versöhnen, bis hin zu dem ehemaligen Kindersoldaten aus dem Kongo, der heute Straßenkindern in seinem Land zu einer neuen Perspektive verhilft. Die konkreten Schritte pflastern den Weg zum Frieden.
Der Vers 15 des 34. Psalms – das ist die klare Anweisung, bei uns zu beginnen. Denn Frieden beginnt im Kleinen und in unserer unmittelbaren Umgebung. Deshalb ist es so gut und so wichtig, am Tisch mit der Familie und den Freunden darüber zu sprechen, was wir zum Frieden beitragen können – und dann auch für den Frieden auf die Straße zu gehen.
Suche den Frieden und jage ihm nach! An jedem Sonntag des neuen Jahres wird in den Gottesdiensten dieser Ruf und die Wegzehrung erneuert: Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen – das heißt: So ist es und so wird es sein.
Der Autor ist Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Autor:Online-Redaktion |
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