DDR-Kirchenverluste # 8
Die verlorene Andreaskirche Berlin
In der DDR wurden bis 1988 rund 60 Kirchen auf staatlichen Druck gesprengt. Die wohl bekannteste von ihnen war die Paulinerkirche Leipzig – auch Universitätskirche St. Pauli genannt – im Jahr 1968. Die Serie erinnert an verlorene Sakralbauten in Mitteldeutschland und darüber hinaus.
Die St.-Andreas-Kirche war eine evangelische Kirche in Berlins heutigem Stadtteil Friedrichshain. Das Gotteshaus stand am Stralauer Platz in direkter Nähe des Schlesischen Bahnhofs (heute Ostbahnhof) am Südende der Andreasstraße.
Bauwerk
Die schlichte, dreischiffige Basilika im Rundbogenstil orientierte sich mit ihrem kubischen, ruhig gelagerten Baukörper und ihren flachen Dächern an den Idealen der Berliner Bauschule der Schinkel-Nachfolge. Fünf Fensterachsen gliederten die hohen Seitenschiffe. An der Front stand für die Nebeneingänge und Treppen ein kurzes Querhaus.
In dessen Mitte der unten rechteckige, nach oben hin erst quadratische und zuletzt achteckige Turm mit spitzem Turmhelm. Eine Halbkuppel überwölbte die halbrunde und fensterlose Apsis. Die beiden Sakristeien waren hinter der Chornische als ringförmige, niedrige Anschlussbauten gestaltet. Im Innern trugen Sandstein-Arkadenpfeiler die Emporen.
Den Backsteinbau entwarf Architekt und Baubeamter Heinrich Strack, er entstand in den Jahren 1853 bis 1856 unter Leitung des Stadtbaurates Gustav Holtzmann und des Königlichen Bauführers H. Geiseler. Das Gotteshaus war 34 Meter lang und 19 Meter breit. Das Kirchenschiff war fast 17 Meter hoch, der Kirchturm knapp 60 Meter. Die Baukosten betrugen 199.236 Mark.
Besonderheit
Laut der Zusammenstellung Berliner Sehenswürdigkeiten im Jahr 1915 hatte die St. Andreaskirche „das größte und schönste Altargemälde Berlins“: Christus und der sinkende Petrus, gemalt von Fedor Poppe, sowie „30 hervorragend gemalte Fenster, Hauptsachen der biblischen Geschichte darstellend“.
Geschichte
Die Kirche wurde für die 1854 entstandene Tochtergemeinde der Georgengemeinde erbaut. Dies sollte im Frühjahr 1848 geschehen, der Baubeginn wurde jedoch von wütenden Anwohnern verhindert und wegen der damaligen Märzrevolution 1848 aufgegeben. Stattdessen begannen die Baubehörden mit dem Bau der St.-Markus-Kirche, ebenfalls für eine Tochtergemeinde der Georgengemeinde, an der Weberstraße.
Am 19. Juli 1854 war Grundsteinlegung für die Andreaskirche, im November desselben Jahres Richtfest. Im Januar 1855 wurde die Kirche auf königlichen Beschluss als Ehrerweisung an den russischen Zaren Nikolaus I., den Ehemann der preußischen Prinzessin Charlotte, nach dem Apostel Andreas benannt, dem Schutzpatron Russlands. Die Kirchweihe war im Oktober 1856 im Beisein von König Friedrich Wilhelm IV.
Die ursprünglich nüchterne Innenausstattung erhielt um die Jahrhundertwende repräsentativeren Charakter dank der Neugestaltung von Kanzel, Taufe und Altar sowie der Fenster- und Wandbemalung.
Zweiter Weltkrieg und danach
Am 8. Mai 1944 wurde die St.-Andreas-Kirche bei einem alliierten Luftangriff von Bomben getroffen und brannte aus. Wie andere Kirchengemeinden mit ähnlicher Situation hoffte die Kirchgemeinde, dass nach dem Krieg ihr Gotteshaus repariert und wieder nutzbar würde.
Das Gotteshaus in Friedrichshain diente knapp 95 Jahre Generationen von Christen regelmäßig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Treffpunkt für Taufe und Konfirmation, für Trauung, Silberne und Goldene Hochzeit und für den Heimgang Hunderter Bürger. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Andacht und Hoffnung, für Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid.
Doch der Wiederaufbau blieb ein frommer Wunsch: In der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone wurde die Andreaskirche am 12. Januar 1949 gesprengt. Warum die Kirche gegen den Gemeindewillen beseitigt wurde, ist aus den im Internet zugänglichen Quellen nicht ersichtlich.
Jüngere Vergangenheit und Gegenwart
Die St.-Andreas-Gemeinde blieb zunächst erhalten; heute gehört sie nach zweimaliger Fusion zusammen mit den Gemeinden der ebenfalls zerstörten St.-Markus-Kirche und der Lazaruskirche zur Evangelischen Kirchengemeinde St. Markus im Kirchenkreis Berlin Stadtmitte. Das Gemeindehaus der Kirche am Stralauer Platz 32 trägt an seiner Fassade ein großes, weißes Kreuz.
Die Kirchenglocken, die den Bombenangriff überstanden haben, fanden wenig später ein neues Zuhause: Sie kamen 1950 nach Thüringen – in die Stadtkirche St. Peter in Sonneberg.
Koordinaten: 52° 30′ 38,3″ N, 13° 25′ 50,9″ O
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/St.-Andreas-Kirche_(Berlin)
(dort auch Verzeichnis der Autoren; Textnutzung entsprechend Creative Commons CC BY-SA 4.0)
Autor:Holger Zürch |
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