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Rezension
Mehr als ein Bilderbuch

Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen" – so beginnt das dritte Gebot in der aktuellen Übersetzung der Lutherbibel. Und schon diese wenigen Worte reichen aus, um klar zu sagen: Gottesbilder sind falsch, zumindest in der christlichen Weltanschauung.

Von Paul-Philipp Braun

Doch der Mensch wäre kaum ein Mensch, würde er sich nicht (fast) alles bildlich vorstellen. Dabei geht die Tradition von der Darstellung eines Göttlichen – wie auch immer dieses in den Frühphasen des Seins aussah – nahezu unendlich viele Jahrtausende weit zurück.

Wer ehrlich ist, weiß das und schaut sich gern die Verbildlichung des Göttlichen an. Ob in Form der Willendorf-Venus oder auch eines göttlichen Stieres, wie er sich als "Kalb" im Buch Exodus finden lässt. Glaubt man Johann Hinrich Claussen, so lässt sich die These vom Bedarf nach göttlichen Bildern durch die Geschichte hinweg jedenfalls gut stützen – immer vor der kritischen Betrachtung des mosaischen Anbetungsverbots, versteht sich!

In seiner im August veröffentlichten Anthologie nimmt Claussen, übrigens auch Kulturbeauftragter der EKD, den Leser mit auf einen literarischen Museumsbesuch. Sein #%Buch von der Geschichte der christlichen Kunst setzt dafür auf zwölf imaginäre Säle, die sich dem Leser nach und nach erschließen und in denen die Kunstgeschichte von den Anfängen des Judentums (hier kommt der goldene Stier zum Tragen) über die Kämpfe um ikonische Deutungshoheiten bis in die abstrakte Kunst christlicher Gegenwart dargestellt wird.

Sorgsam baut sich in den 293 Lese-Seiten das Wissen um die Kunst-Entwicklung kontinuierlich auf und aus. Dabei bedient Claussen sich prominenter Beispiele wie Dürers apokalyptischen Reitern, nutzt aber auch Darstellungen von Kunst, die nicht auf den ersten Blick christlich zu sein scheinen; etwa van Goghs "Sternennacht". Der Autor setzt viele der durch ihn ausgewählten Werke stellvertretend für eine Epoche oder eine Perspektive auf die Welt. Fachkundig erklärt er in seinen zwölf Sälen die Zusammenhänge, ordnet historische Kontexte ein und schafft es, trotz aller eigener Expertise Kritiker an den Werken auch zu Wort kommen zu lassen.

Damit schafft es das Buch der Gottesbilder, eben mehr als nur ein Bilderbuch mit ein paar Erklärungen zu sein. Es ist ein populärwissenschaftlicher Führer durch Epochen, der auf Details hinweist und zugleich eine übergeordnete Perspektive einnimmt. Wer jedoch ein wissenschaftliches Fachbuch zur christlichen Kunst erwartet, muss diese Hoffnung zurückstellen. Zwar verweist Claussen in unregelmäßiger Häufigkeit auf wissenschaftliche Kolleginnen und Kollegen, genaue Quellenangaben finden sich aber nicht. 

Claussen, Johann Hinrich: Gottes Bilder: Eine Geschichte der christlichen Kunst., C. H. Beck, München 2024, 318 S., mit 72 farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-406-82216-2; 32,00 Euro

Autor:

Online-Redaktion

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