Die heilige Corona
Schutz vor Seuchen?
Es gibt sie tatsächlich, Sankt Corona, Märtyrerin aus Verfolgungszeiten. Eine Spurensuche in Syrien, Italien und Österreich.
Von Christian Feldmann
Im Bistum Aachen bereut man bereits, dass man sich um die hier im Domschatz aufbewahrten Reliquien der antiken Schutzpatronin bisher so überhaupt nicht gekümmert hat. Allerdings sind die seit einem Jahrhundert in einem Schrein gehüteten sterblichen Überreste der Märtyrerin sicher nicht echt, und die Sprecherin des Aachener Domkapitels, Daniela Lövenich, weist lakonisch darauf hin, dass Corona natürlich keine „Namenspatronin für das Virus“ ist und mit Seuchen in der Christentumsgeschichte allenfalls am Rande befasst gewesen sei.
Denn wie so vielen Heiligen wuchsen auch der heiligen Corona im Lauf der Geschichte vielfältige Patronate zu: Schatzgräber, Lottospieler und Geldanleger haben sie um Hilfe angerufen, Fleischer, von Zahnschmerzen Geplagte, Menschen mit Glaubenszweifeln und Dämonenängsten, aber auch Bauern gegen existenzgefährdende Viehseuchen und Hagelschauer und von Seuchen bedrohte Völker. Der Wirrwarr aus exakten Aufgaben im Heiligenhimmel und vagen Hoffnungen erklärt sich auch damit, dass man von der historischen Corona so wenig weiß.
Corona, „die Gekrönte“, trat am 14. Mai 177 im syrischen Lycopalie in das Licht der Geschichte, wenn man einer Legende glauben darf: Dort ließ der römische Statthalter Sebastian einen Soldaten namens Viktor grausam foltern. Viktor war Christ, und anders als heute war das ein Bekenntnis, das im Römischen Reich das Leben kosten konnte. Eine sechzehnjährige junge Frau soll Viktor Mut zugesprochen haben, worauf auch sie zum Tod verurteilt wurde. Corona starb auf scheußliche Weise: Man band sie mit starken Seilen zwischen zwei zu Boden gedrückte Palmen, die man dann nach oben schnellen ließ.
Coronas Verehrung ist im sechsten Jahrhundert auch in Nord- und Mittel-italien bezeugt, wo man aus Ägypten Reliquien erhalten hatte. In Castelfidardo bei Osimo gab es eine Corona und Viktor geweihte Kirche. Kaiser Otto III. brachte 997 Reliquien aus Otricoli nach Aachen. Karl IV. entdeckte in Feltre, Venetien, ebenfalls Knochen der Heiligen. Seit dem 14. Jahrhundert ist der Corona-Kult in Bayern, Österreich und Böhmen belegt, vorangetrieben von den Benediktinern aus Niederaltaich. Im 17. und 18. Jahrhundert versprach man sich viel von der magischen Kraft des „Corona-Gebets“, das zu verborgenen Schätzen führen sollte. Dieser Glaube ist vermutlich ausgestorben, nicht aber die Erinnerung daran, dass die Märtyrerin in mannigfacher Not und bei Seuchengefahr helfen könnte. Darum beteten die Wallfahrer vertrauensvoll seit 1504 in der niederösterreichischen Gemeinde St. Corona am Wechsel, wo einst fast nur Holzfäller lebten. Die machten die Glaubenszeugin, die zwischen zwei Bäumen gestorben war, zu ihrer Schutzpatronin – und fanden in einer hohlen Linde tatsächlich eine in den Baumstamm eingewachsene Statue der Heiligen. Eine weitere Wallfahrt etablierte sich in St. Corona am Schöpfl, ebenfalls in Niederösterreich. Hier in Österreich-Ungarn bildete die „Krone“ mit Adler und Kaiserporträt bis 1924 die Standardgoldwährung.
In Aachen konservieren Fachleute gerade einen 98 Kilogramm schweren, fast einen Meter hohen Schrein in Form einer byzantinischen Kirche. Das Reliquiar hatte man 1910 für die damals in der Domgruft ausgegrabenen Gebeine geschaffen, die man für die sterblichen Überreste Coronas und eines weiteren Märtyrers hielt. In Bleisärgen hatte man die Knochen gefunden, die Grabplatten sind im Dom zu sehen, das Reliquiar verschwand in der Domschatzkammer. Jetzt will man es in einer Ausstellung präsentieren – wenn die Krise vorbei ist und die Schatzkammer wieder öffnen darf.
Autor:Online-Redaktion |
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