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Predigttext zum Sonntag
Bücher der Erinnerung

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 Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre nahen, da du wirst sagen: "Sie gefallen mir nicht."
Prediger 12, Vers 1

Die bösen Tage“, sagt sie nachdenklich, „wer sagt denn, dass die erst noch kommen? Meine Kindheit prägte der Krieg. Da standen die bösen Tage am Anfang. Ja, natürlich ist im Alter manches beschwerlich. Aber dass es schlechter ist als früher – nein, das kann ich so nicht sagen.“

Ihr Resümee erstaunt mich. Eigentlich dachte ich, Kohelet, der Prediger, müsste ihr aus der Seele sprechen. Seine Bilder sind plastisch. „Die Jahre, da du sagen wirst: ›sie gefallen mir nicht‹“ – er malt sie in Farben, die kaum einen Zweifel lassen: Das Alter lässt kaum etwas übrig. Der Körper versagt seine Dienste zunehmend, Kräfte lassen nach, und die Ahnung des Todes liegt über dem Leben.

„Ja, selbstverständlich“, nickt sie, „das stimmt alles. Aber ich bleibe dabei: Böse Tage habe ich auch schon früher erlebt. Und die Frage nach dem, was in diesen Zeiten trägt, die stellt sich da auch schon. Aber es ist schon was dran: In den guten Tagen, da ist alles selbstverständlicher. Da ist es leichter, an Gott zu glauben. Bei mir war es so. Aber das waren auch die Zeiten, in der ich mir eine Art Vorrat angelegt habe. Warten Sie mal.“

Sie steht auf und holt ein schmales Buch aus einer Schublade. Sie blättert eine Seite auf. Zwei Bibelverse stehen da, die Strophe eines Gesangbuchlieds, und: „Erna und ich haben auf der Wiese Blumen gepflückt. Großmutter hat sie auf den Tisch gestellt wie eine Kostbarkeit. Neben das Brot, das frisch aus dem Ofen kam. Es duftete, aber erst wurde gesungen: Danket dem Herrn. Haben uns an den Händen gehalten.“ Ich blättere durch das Buch und begreife, was sie meint. Seite um Seite Gedanken, Erlebnisse, Bibelverse. Einzelne Fotos. Ausschnitte aus Briefen. Manchmal auch nur ein einzelnes Wort. Sie hat gesammelt. An den guten Tagen. Das, was ihr das Herz füllte und was sie Gott spüren ließ in ihrem Leben.

Und ich weiß: Sie ist nicht die Einzige. Es gibt viele solcher Bücher. Manche sind nicht aus Papier, aber sorgsam gehütet in den inneren Schubladen. Erinnerungen der Gottesgegenwart. Segen im Jetzt.

Der letzte Eintrag in ihrem Buch ist erst ein paar Tage alt. „Es ist noch nicht voll“, sagt sie und lächelt. Und ich sammle ihn für mein eigenes Buch, diesen Moment.

Teresa Tenbergen, Pfarrerin in Weimar | Foto: privat
Autor:

Online-Redaktion

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