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Warum Jesus mit Unkraut ganz gut leben kann
Die Feldarbeit des Lebens

Foto: pixabay.de/Mabel Amber

Woher kommt das Unkraut, wenn der Gutsherr doch nur guten Samen auf den Acker gestreut hat?, wollen die Knechte wissen. Die Antwort ist so verblüffend wie einfach: Das hat ein Feind getan. Ist Unkraut nicht etwas Naturgegebenes? Braucht es gleich einen Feind, wenn etwas sich anders entwickelt als erhofft?

Von Andrea Pichlmeier

Mit dem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Matthäus 13, Verse 24-30) versucht Jesus, den Jüngern das Gottesreich zu veranschaulichen. Vom Gottesreich, und das heißt von Gott, lässt sich nur in Bildern sprechen. Kein Bild kann Gott ganz erfassen, doch in jedem der Bilder, die Jesus ersinnt, leuchtet ein Aspekt auf, der ein Licht vor allem auf das menschliche Denken wirft: Sollen wir das "Unkraut" ausreißen? Den Feind bekommt man nicht zu fassen, aber das Unkraut soll weg.

In ihrem Stück "Corpus delicti" entwirft Juli Zeh die verstörende Vision einer Gesellschaft, in der jede Abweichung von der Norm eines keim- und schmerzfreien Lebens staatlich geahndet wird. Das Stück entstand 2007, lange vor der Corona-Pandemie. Es hatte nicht Maßnahmen zum Schutz Einzelner im Blick, sondern einen Staat, der keine Abweichung duldet: Das Unkraut muss weg.

Der Feind, den das Gleichnis im Matthäusevangelium für das Unkraut verantwortlich macht, bekommt in der Auslegung durch Jesus (Matthäus 13, Verse 36-43) einen Namen: Es ist der Teufel, diabolus. Das griechische Wort bedeutet, dass hier einer am Werk ist, der alles "durcheinander wirft". Jesus kann mit dieser Unordnung offenbar ganz gut leben, denn der Gutsherr in seinem Gleichnis will das Unkraut zusammen mit dem Weizen wachsen lassen bis zur Ernte. Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, was wertvoll ist und was nicht. Bis zur Ernte braucht das keinen zu kümmern. Und die Ernte, erklärt Jesus den Jüngern, findet statt am Ende der Welt.


"Wie einst am See Genezareth, so spaziert er heute über den Garten der Welt"

Solange also wir und überhaupt Menschen in dieser Welt leben, haben wir es mit buchstäblich durchwachsenen Feldern zu tun. Daran müssen sich sämtliche Utopien messen lassen, die eine vermeintlich bessere Welt erschaffen wollen, in der alle sorglos leben können, vorausgesetzt, sie halten sich an die Regeln und weichen nicht ab von der Norm.

Die Vision von einer gesunden vermeintlich leidfreien Welt mutiert in Juli Zehs Stück zu einem Gefängnis totaler Kontrolle. Utopien, die sich mit aller Macht ihren Weg in diese Welt bahnen wollen, sind teuflisch, denn sie zerstören die Ordnung, die der Welt innewohnt. Zu dieser Ordnung gehören Vielfalt und Versagen, eine offene Zukunft und die Vergänglichkeit. Oder, um es mit dem Gleichnis zu sagen: Weizen und Unkraut. Elimination ist kein Gedanke Gottes.

Jesus verkündet das Gottesreich. Er sieht es zum Greifen nah. Er wirbt dafür, lässt es spüren und schmecken. An keiner Stelle aber versucht er, Gott mit Macht zum Durchbruch zu verhelfen. Das Gottesreich ist im Grunde sowieso schon da, sagen die Christen. Mit Jesus hat es angefangen. Jesus aber muss man niemandem aufdrängen. Wie einst am See Genezareth, so spaziert er heute über den Acker der Welt, bewegt sich ganz unbefangen zwischen Unkraut und Weizen. Vielleicht ist er deswegen oft so schwer zu erkennen. 

(aus "Christ in der Gegenwart")
Die Autorin ist katholische Theologin in der Diözese Passau. 

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Online-Redaktion

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