Mehr als nur was zu essen
Nächstenliebe mit Nachschlag
Zuletzt legt Thomas Zullinger die große Bockwurst behutsam auf den tiefen Teller in die dampfende Kartoffelsuppe. Es soll ja nichts überschwappen. Dann reicht er ihn über den behelfsmäßig aufgebauten Tresen aus Konferenztischen.
Von Matthias Thüsing
Der Gast des Diakonieladens in der Saalfelder Innenstadt bestellt noch einen heißen Tee und setzt sich dann mit seinem warmen Mittagessen an die lange Tafel. Schweigend löffelt er die Suppe. Insgesamt drei Gäste haben sich für ein spätes Mittagessen an diesem Mittwoch noch eingefunden. Gut eine Stunde zuvor sei hier deutlich mehr Betrieb gewesen, so Zullinger.
„Die Arbeit fühlt sich gut an“, sagt er. Er habe in seinem Berufsleben schon so einiges gemacht – Textilbranche, Altenpflege, Feinmechanik. „Aber hier stimmt die Arbeit, ich komme gut mit den Menschen klar, ich kann anderen helfen und werde selbst gebraucht.“ Seit etwa einem halben Jahr arbeitet Zullinger im Diakonieladen „Geben und Nehmen“ in der Saalfelder Brudergasse.
In dem großen, zur Straßenseite hin grau und zur Gartenseite fröhlich gelb gestrichenen Gebäudekomplex hat die Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein viele Angebote unter einem Dach zusammengefasst: Eine Wohnstätte, eine Kleider- und Gebrauchtwarenkammer, ein Begegnungszentrum und einen Laden mit Produkten aus den Werkstätten Christopherushof in Altengesees finden sich hier. Dazu das Café Waage mit Preisen, die jedermann den Besuch erlauben. Geöffnet hat es täglich.
„Es geht um gelebte Nächstenliebe. Und um Zeit, die wir uns nehmen, um mit unseren Gästen über das Leben, aber auch über ihre Sorgen zu sprechen“
„Neu ist seit Anfang Dezember das kostenlose Mittagessen an jedem Mittwoch“, sagt Bettina Schmidt, Geschäftsbereichsleiterin der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein. Schmidt spricht schnell und meist in kurzen Sätzen. Zeit ist ein knappes Gut für die Sozialmanagerin, ist sie doch für rund 600 Menschen mit den verschiedenen Formen einer Benachteiligung verantwortlich, die in den diakonischen Einrichtungen an mehreren Standorten in Ostthüringen arbeiten.
Das wöchentliche Essensangebot in Saalfeld sowie in den nahe gelegenen Thüringer Landstädtchen Bad Blankenburg und Pößneck ist da buchstäblich nur ein Zusatzangebot. Möglich wurde es durch die finanzielle Unterstützung der EKM und der Diakonie in Mitteldeutschland im Rahmen der Aktion #wärmewinter.
„Es geht um gelebte Nächstenliebe, nicht nur um ein warmes Essen für diejenigen, die es sich vielleicht nicht leisten können. Sondern es geht um Gespräche. Und um Zeit, die wir uns nehmen, um mit unseren Gästen über das Leben, aber auch über ihre Sorgen zu sprechen.“ Bis zu zwanzig Mittagessen, Getränke und Nachtisch gehen in Saalfeld jeden Mittwoch über den Tresen. „Das ging alles unglaublich unbürokratisch“, schwärmt die Projektverantwortliche der Diakonieläden in Saalfeld und Bad Lobenstein, Ilona Grundler. Von der Beantragung der Gelder bis zur Zusage habe es keinen Monat gedauert. „Es war herrlich einfach“, sagt sie.
Gerade spricht sie mit ihrem Küchenteam noch einmal den Tag in der Diakonie-Küche in der Saalfelder Industriestraße durch. Das Mittagessen in den Diakonieläden wird hier im ehemaligen Zentrallager vom Konsumgenossenschaftsverband Saalfeld gekocht. Im Gebäude sind mehr als ein halbes Dutzend Unternehmen der Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein untergebracht. Die Küche im ersten Obergeschoss des denkmalgeschützten Industriebaus dient den Mitarbeitern und Beschäftigten als Kantine. Es riecht noch leicht nach gebratenem Geflügel im Speisesaal.
Ilona Grundler setzt sich für einen Kaffee zu den Mitarbeitern an einen der Tische. Das kostenlose Mittagessen war ihre Idee – und die kam gut an: Bereits zum Start der Aktion in Bad Blankenburg Anfang Dezember ging die bereitgestellte heiße Suppe so gut weg, dass die zehn Portionen ein wenig gestreckt werden mussten. Etwa zwanzig Portionen würden seitdem pro Aktionstag gekocht und abgenommen. Es sei dieses Ineinandergreifen der verschiedenen Diakonie-Firmen und Angebote, das die Aktion #wärmewinter zunächst in Saalfeld, Blankenburg und seit 6. Januar in Pößneck habe so reibungslos anlaufen lassen.
Infrastruktur und Personal seien in der Diakonie ausreichend vorhanden. Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Kirchengemeinde beschränke sich bei diesem Projekt daher nur auf gelegentliche Unterstützung und Hilfen überall dort, wo sich einmal eine Lücke auftue oder Not am Mann sei.
Die Suppe im Diakonieladen haben die drei Gäste längst aufgegessen. Ans Aufstehen denkt das Trio trotzdem noch nicht. Inzwischen sind die Gespräche in Gang gekommen. Untereinander, aber auch mit Herrn Zullinger.
(Zeitzeichen)
Autor:Praktikant G + H |
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