Auf Menschen mit Demenz feinfühlig eingehen
Silvias Station
Im Alter müssen immer mehr Menschen in einem Krankenhaus behandelt werden.
Von Angelika Prauß
Zugleich leiden die betagten Patienten zunehmend unter demenziellen Veränderungen – auf die Akutkliniken nicht eingestellt sind. Täglich werden rund 50 000 Patienten mit der Nebendiagnose Demenz in deutschen Krankenhäusern behandelt, rechnet die gemeinnützige Robert-Bosch-Stiftung vor.
Ein Krankenhaus ist kein guter Ort für Menschen mit Demenz, sagt Su-sanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Der Klinikalltag sei meist so angelegt, dass sich die Patienten an den Krankenhausrhythmus und die Strukturen anpassen müssten. Alleine vor dem Untersuchungsraum zu warten, oder das Mittagessen auf einem ungewohnten Tablett irritiere altersverwirrte Menschen. Zudem werde Demenz von Pflegekräften oft nicht erkannt. Patienten würden dann als schwierig eingestuft und mitunter mit sedierenden Medikamenten ruhig-gestellt, die wiederum eine negative Wirkung auf die Demenz hätten.
Immerhin verfügten inzwischen einige Krankenhäuser über Demenzbeauftragte. Grundsätzlich gebe es inzwischen auch die Möglichkeit des Rooming-in, sagt Saxl. Gegen einen geringen Aufpreis können vertraute Angehörige dann während des Klinikaufenthaltes bei dem dementen Patienten bleiben. Dieses Angebot sei aber nicht die Regel, und manche Krankenhausverwaltung erschwere diese wünschenswerte Begleitung. Ein Vorreiter in Sachen Rooming-in ist das Krankenhaus Lübbecke-Rahden. Dort können sich pflegende Angehörige kostenlos mit dem dementen Patienten in einem Zweibett-Zimmer aufnehmen lassen.
Auch die Malteser haben inzwischen Akutpatienten mit der Nebendiagnose Demenz im Blick. Im Flensburger St. Franziskus-Hospital haben sie ein demenzsensibles Konzept entwickelt. In einer speziellen Silvia-Station – mit freundlicher Beleuchtung und Wohnzimmeratmosphäre – stehen neun Betten bereit. Alle Mitarbeiter sind nach dem Konzept Silviahemmet (Silviaheimat) geschult, das nach Schwedens Königin Silvia benannt ist. Noch weiter geht das Malteser-Krankenhaus St. Carolus in Görlitz: Ende 2020 wurde es als deutschlandweit erstes Krankenhaus von Königin Silvia zertifiziert. Mit 120 Betten sei es ein relativ kleines Krankenhaus, erklärt dessen Sprecherin Stephanie Hänsch. Jeder der rund 250 Mitarbeiter – von der Küche, Technik, Reinigung, Verwaltung bis Pflege und Ärzte – sei umfassend geschult, das ganze Haus ist baulich und strukturell auf demente Menschen eingestellt.
Trotz großer Defizite gebe es allmählich ein Umdenken, beobachtet Saxl. Wichtig sei es, Beschäftigte in Akutkrankenhäusern für das Thema Demenz zu schulen und zu sensibilisieren. Um Demenzerkrankten den Krankenhausaufenthalt möglichst stressfrei zu gestalten, hat die Robert-Bosch-Stiftung einen Praxisleitfaden veröffentlicht. Er zeigt am Beispiel von 17 Projekten, wie Krankenhäuser demenzfreundliche Strukturen aufbauen können – auch durch Anpassungen in Architektur und Ausstattung, patientenfreundliche Behandlungsprozesse und die Einbindung von Angehörigen. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat außerdem eine Broschüre für den Krankenhausaufenthalt sowie einen Informationsbogen für die Aufnahme dementer Patienten ins Krankenhaus entwickelt, auf dem Angehörige Vorlieben und Abneigungen notieren können.
(kna)
Autor:Online-Redaktion |
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