Kinder fragen zum Krieg
"Warum machen die das?"
Marlene, acht Jahre alt, hört morgens beim Frühstück die Nachricht im Radio: Russland hat die Ukraine angegriffen, es herrscht jetzt Krieg in Europa. Krieg? "Mama, ist das so wie im Zweiten Weltkrieg?", fragt Marlene.
Von Nina Schmedding
Sie hat die Erzählungen ihres 84-jährigen Opas im Ohr. Die Nachbarn, die mit blau-gelben Schals ein paar Tage später zur Friedensdemo gehen, wecken Interesse bei der jüngeren Schwester Lotte. "Warum machen die das?", fragt sie neugierig.
Krieg in der Ukraine – im Radio, im Fernsehen und per Live-Blog auf dem Smartphone dauerpräsent. Im Supermarkt in der Warteschlange ist es Thema und auch zu Hause am Abendbrottisch. "Kinder bekommen Stimmungen mit und fangen auch Wortfetzen auf", sagt Pädagogik-Professorin Roswitha Sommer-Himmel von der Evangelischen Hochschule Nürnberg. "Sie spüren die Angst und sehen, dass die Erwachsenen mit etwas beschäftigt sind – auch wenn wir versuchen, sie zu schützen."
Sommer-Himmel empfiehlt, sich mit den Kindern je nach Entwicklungsstand, Persönlichkeit und der jeweiligen Situation mit dem Krieg auseinanderzusetzen. "Was genau fragt das Kind? Was will es wissen? Hat es Angst? Oder ist es eher neugierig?" Dabei komme es weniger auf das tatsächliche Alter als auf den Entwicklungsstand an. "Wenn uns Kinder fragen, sollten wir genau hinhören, was sie fragen und das feinfühlig aufgreifen."
Jeder Mensch habe eine persönliche Schwelle, was ihm Angst mache. Zudem komme es auf die eigenen Erfahrungen an. "Ein Mitschüler mit einer bosnischen Oma wird anders auf den Ukraine-Konflikt reagieren als jemand, der Krieg nur aus Büchern kennt", erklärt Sommer-Himmel. Wenn Eltern merken, dass etwas das eigene Kind beunruhigt, es das aber nicht von selbst anspricht, sollten sie einfühlsam mit einer offenen Frage nachhaken: "Was belastet Dich?".
Für Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologen ist es vor allem wichtig, dass Erwachsene "in so einer Krisenzeit Sicherheit und Halt geben und die Ängste durch ihr Verhalten nicht verstärken". Die Eltern- oder Lehrerrolle sollte nicht verlassen werden, empfiehlt der Berliner Schulpsychologe. Zwar könne man zugeben, wenn man auch Angst hat, aber man solle der Situation dennoch "mit Hoffnung und Optimismus" begegnen – etwa dem Kind sagen: "Du bist hier in Sicherheit", so Seifried. Um den Konflikt zu erklären biete es sich an, kindgemäße Beispiele zu finden, wenn die Kinder nach dem "Warum" des Krieges fragen – in etwa: "Niemand hat das Recht, Dich zu schlagen. Und kein Land hat das Recht, ein anderes zu überfallen." Spätestens in der weiterführenden Schule sollte die Erklärung des Konflikts auch mit Faktenwissen untermauert werden, so Seifried.
Die Kinder- und Jugendpsychologin Hanna Christiansen von der Universität Marburg rät, zwischen Kindern zu unterscheiden, die etwas zum Krieg wissen möchten, und jenen, die nichts wissen wollen. "Letztere muss man nicht mit der Nase darauf stoßen", sagt sie. Grundsätzlich empfiehlt sie aber ein "offenes Ohr. Oft reicht es schon, wenn man zuhört, ähnlich, wie bei anderen Belastungen", sagt die Expertin. Sinnvoll sei es auch, durch bestimmte Projekte – eine besondere Bastelei, ein Kochvorhaben – die "eigene Selbstwirksamkeit" zu bestätigen und "subjektive Kontrollerlebnisse" zu schaffen, so Christiansen. Bei älteren Kindern und Jugendlichen sei es sinnvoll, auf altersgerechte Nachrichten zu achten und dabei auch die Vertrauenswürdigkeit von Medien zu besprechen.
(kna)
Autor:Online-Redaktion |
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