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ZumTag des Buchs: der Vorlesefriseur
Waschen, schneiden, lesen

Tausche Geschichte gegen Haarschnitt: Der 9-jährige Leopold liest Danny Beuerbach vor. | Foto: epd-bild/Matthias Balk
  • Tausche Geschichte gegen Haarschnitt: Der 9-jährige Leopold liest Danny Beuerbach vor.
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Hier fallen nicht nur Haare, sondern auch jede Menge Worte: Danny Beuerbach kniet auf einem bunten Teppich und hört zu. Mit Beten hat das nichts zu tun, und auch nicht mit dem Besuch bei einem normalen Friseur. Denn Beuerbach ist Vorlesefriseur.

Von Brigitte Bitto

Wenn der Mann mit dem markanten Wuschelkopf arbeiten möchte, breitet er irgendwo seinen Teppich aus, legt sein Werkzeug bereit und ein paar Bücher, und wartet ab. «Meist dauert es nicht lange, dann kommen die Menschen neugierig auf mich zu», erzählt der Träger des Deutschen Lesepreises 2021. Und bald sitzt auch schon der erste unter seiner Schere und beginnt zu lesen.

Immer, wenn er seinen "Pop-up-Teppich" ausbreitet, ist der Vorlesehaarschnitt gratis; beim Vorlesen im Salon bekommen die Kinder einen Rabatt. So wie Leopold: Während Beuerbach mit orangem Kamm und scharfer Schere dessen Haupthaar auf Vordermann bringt, liest der Neunjährige souverän bei einer Aktion in einer Dachauer Bibliothek 17 Seiten aus dem Buch «Der Drache aus dem blauen Ei» vor. «In unserem Beruf baut man schnell Kontakt und Vertrauen zu Menschen auf, das können wir zum Guten, sozial und nachhaltig nutzen, um die Lesekultur zu fördern», sagt der Friseur. «Book a look and read my book» ist daher das Motto des Friseurs, mit dem der Münchner als Leseförderer durch Deutschland, Österreich und die Schweiz tourt. Für die Aktion hat er ein eigenes Kinderbuch geschrieben: In «Der magische Frisör» reisen die Geschwister Lila und Erik mit dem magischen Friseur Danny durch Fantasiewelten und müssen etliche «haarige» Probleme lösen.

Entstanden ist das soziale Projekt durch den simplen Vorsatz Beuerbachs, dass er selbst mehr lesen wollte. «Aber weil das aufgrund meiner vielen Arbeit nicht geklappt hat, habe ich angefangen, meine Lektüre mit in den Salon zu nehmen und meine Kunden zu fragen, ob sie mir nicht daraus vorlesen wollen», sagt er. Bald entstand die Idee, die Aktion vor allem für Kinder anzubieten. «Kinder, die Angst vor dem Haareschneiden haben oder schnell ungeduldig werden, sind durch die Bücher abgelenkt. Außerdem werden sie ermutigt, sich im Vorlesen zu üben», sagt Beuerbach. «Book a look and read my book» sei also auch ein einfaches und niederschwelliges Leseförderungsprogramm.


"Kinder, die Angst vor dem Haareschneiden haben oder schnell ungeduldig werden, sind durch die Bücher abgelenkt"

Und davon könne es nicht genug geben: Laut Studien der Stiftung Lesen in Mainz liest ein Drittel der Eltern seinen Kindern zwischen zwei und acht Jahren nicht oder zu wenig vor. Das beschere dem Nachwuchs viele Nachteile, zählt Stiftungs-Sprecherin Franziska Hedrich auf: Der Wortschatz sei kleiner, die Kinder könnten sich nicht so gut konzentrieren, verfügten über weniger Sachwissen und hätten selbst weniger Lust aufs Lesenlernen. "Dieser Nachteil lässt sich durch die Schulen nur schwer wieder aufholen", sagt Hedrich. Umso wertvoller seien Projekte wie das von Beuerbach, das die Stiftung Lesen im Herbst gemeinsam mit der Commerzbank-Stiftung mit dem Deutschen Lesepreis 2021 ausgezeichnet hat. «Es bringt Bücher und Geschichten an Orte, an denen Kinder und Jugendliche sie nicht erwarten», sagt Hedrich. Losgelöst vom Lernen in der Schule und ohne Druck könnten sie hier jemandem vorlesen, der einfach zuhört. Die Aktion sorge für Selbstvertrauen und motiviere viele Kinder, auch nach dem Friseurbesuch zu einem Roman, Comic oder Sachbuch zu greifen, ist Hedrich überzeugt.

Außerdem könnten mit der Idee junge Menschen erreicht werden, die in ihrem Alltag wenig Zugang zum Lesen haben. 

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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