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Caspar David Friedrich - Reminiszenzen
Das Kreuz im Gebirge - Tetschener Altar

Foto: JH

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“
Zeitsprung:
Ich erinnere. Ziemlich genau vor 60 Jahren.
Die Wohnung meiner Eltern. Im Pfarrhaus in Apolda. Gramont. Die Wohnung wurde umgeräumt. Mein Kinderzimmer verlegt. Und ich mußte umziehen. Das Umräumen mit meinem Vater und meiner Schwester Dorothea bereitete mir immer Freude. Bin ja später auch oft genug umgezogen.
Aber - In Apolda zumindest. Ging es. Nur in das andere Zimmer nebenan. Mit dem Blick zur alten Kastanie! Auf die Straße. Vor der Kirche.
Das Bett und der Kleiderschrank. Mein kleiner Nachtschrank. Die Nachttischlampe. Grüner Sockel. Und grüner Lampenfuß. Mit allen Spielutensilien. Es waren wahrlich nicht viele. Sie fanden einen neuen Platz.
Dort im großen Pfarrhaus neben der Kirche.
Da im schmalen Zimmer auf der anderen Seite des Bettes. Dort hing ein altes Bild. Die Bilder die vorher schon hingen, blieben einfach hängen.
Jeden Abend. Und auch am Morgen schaute ich ehrfurchtsvoll aus meinem Bett nach oben. Auf das alte Bild. Ein Berg war zu sehen. Und unübersehbar ein langgestrecktes Kreuz auf dem Gipfel. Daneben die Tannen. Und was ich besonders in Erinnerung habe. Das war das Licht, dass da in die Dunkelheit hineinschien. In Strahlen. Sie ahnen es. Das Bild. Es war das „Kreuz im Gebirge“. Von Caspar David Friedrich. In meinem Kinderzimmer.
Zeitreise. Vor fast 216 Jahren.
es war an den Weihnachtstagen 1808. In der schönen Elbestadt Dresden. Einer der großen Künstler und Maler der Barockstadt lädt ein. Mit einer wohlformulierten Einladung in sein Kunstatelier.
Aber der Künstler (offensichtlich ein Kauz) selbst ist gar nicht zugegen. Das wußte vorher niemand. Der Eingeladenen. Der Künstler reiste zu seiner Schwester Dorothea. Nach Neubrandenburg. Und zu Hause kümmern sich Freunde um die Ausstellungseröffnung.
So stehen da die Gäste ohne Gastgeber im Zeichensaal.
Über den Tisch in der Mitte des Ateliers ist ein schwarzes Tuch gelegt. Darauf steht ein Bild. In einem prachtvoll geschnitzten Rahmen. Das „Kreuz im Gebirge“ (gewidmet einem König Gustav Adlf) so der Name.
Das Zimmer ist verdunkelt. Fackeln werden entzündet. Und die anwesenden Kunstverständigen Freunde werden ganz ehrfürchtig.
„Das Bild ergriff alle, die ins Zimmer traten, als träten sie in einen Tempel. Die größten Schreihälse sprachen leise und ernsthaft wie in einer Kirche.“ So schrieb es Helene von Kügelgen.
Aber dieses Bild war die Zündung für einen der größten Kunststreitigkeiten im Anfang des 19.Jhd. Es ging um die Frage, wie sich Gott offenbaren darf und soll. Es füllten sich Zeitungsseiten um Zeitungsseiten. Und in den zwei Jahrhunderten danach Buch um Buch. Vom Manifest des protestantischen Glaubens. Bis zur Ikone der Freimaurerei. Alles, aber auch alles wurde hineingedeutet.
Dieses Bild. Auch „Tetschener Altar“ genannt. War ein Auftragswerk von Franz Anton II, Graf von Thun-Hohnstein. Es sollte in seiner Hauskapelle aufgehangen bzw. aufgestellt werden.
Aber nein es kam auch dort ganz anders. Der Graf selbst machte sich nicht viel aus Kunst. Aber seine Frau (Theresia von Brühl) mit dem „Kreuz im Gebirge“, dem vielleicht revolutionärsten christlichen Landschaftsbild der Romantik. Sie hängt „Das Kreuz im Gebirge“ nicht in die Hauskapelle.
Nein - Theresia Sie hängt es in ihr Schlafzimmer.
Also merke. Kreuzbilder hängen öfter in Schlafzimmern, als wir es denken. (Nebenbei: Nach neun Monaten bekam die Gräfin ein Kind. Mit Namen Friedrich)
In dieser Woche vor Ostern…….. theoligia crucis (Luthers). Sie belebt, stärkt und schenkt Wesentliches für das Laben.
Christus wird von CDFriedrich als das Bindeglied zwischen den beiden Epochen der Heilsgeschichte ins Bild gesetzt. Als der große „Mittler“ (Hebräer 9,15; LUT). Zwischen dem Licht des Vaters und der/ oder besser mancher Finsternis unseres Diesseits.
Mit den Tannen sind wohl die Gläubigen gemeint, die auf ihn vertrauen. Ihnen verkündet der Gottessohn das Heil, das auf sie wartet.
Der direkte Kontakt zu Gott selbst ist nicht mehr möglich. „Statt eine Anwesenheit Gottes zu suggerieren, wie es die barocke Deckenmalerei mit illusionistischen Mitteln nochmals versuchte, macht Friedrich die Unsichtbarkeit Gottes sichtbar“ (Dickel 2006, S. 63). Es bleibt das Kreuz als Hoffnungszeichen.
Das zum Thema gerade eines Bildes zu machen, dass wir Gott nicht mehr anschauen können, lässt sich paradox, also widersprüchlich nennen. Friedrichs Gemälde gelingt es. Genau auf diese Weise, ein Christuswort aus dem Johannes-Evangelium umzusetzen: ,,Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Johannes 20,29; LUT).
Zeitsprung. Vor 60 Jahren.
Des Öfteren, wenn ich aus dem Bett aufstand, blickte ich nach oben. Zu den Palmenwedeln. (Auch deshalb heute am Palmensonntag). Nach Oben. Zu den 5 Engelköpfen. Ob sie denn ein Auge für mich hätten. Mich vielleicht anschauten. Und jedes Mal dasselbe: ich war enttäuscht. Sie blickten auf Christus. Auf das Kreuz.
CDF hat auch den Rahmen seines Bildes entworfen. Er unterstützt und verstärkt die Aussage des Gemäldes. Das Dreieck als Symbol der Dreieinigkeit mit dem allsehenden Auge Gottes. Der Strahlenkranz steht in Beziehung zu dem Felsgipfel und den Strahlen der untergehenden Sonne. Die Wolken nehmen die Form der Palmzweige auf, die ein Sinnbild des Friedens und der Versöhnung sind.
Und.
Zum Abendhimmel gehört (direkt über dem Engelskopf) der versilberte Abendstern , der zugleich der Morgenstern ist. Und als solcher erinnert er an die Auferstehung. (Exkurs,Gemälde: Der Ostermorgen) Das Gold des übrigen Rahmens antwortet dem gemalten Gold des Kruzifixes. Die fünf geflügelten, radial angeordneten Engelsköpfe entsprechen den fünf Strahlen der Sonne.
Ähren und Weintrauben sind Abendmahlssymbole – sie verweisen darauf, dass Friedrichs Bild als Altargemälde gedacht war.
 Am Ende ein Zitat / aus einem Brief CDF`s an Johannes Schulze: „Wohl ist beabsichtigt das Jesus Christus, ans Holz geheftet, hier der sinkenden Sonne zugekehrt ist, als das Bild des ewigen allbelebenden Vaters.
Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit, wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden; wo er sprach zu Cain: Warum ergrimmest du, und warum verstellen sich deine Gebärden?
wo er unter Donner und Blitz die Gesetztafeln gab;
wo er sprach zu Abrahm: Zeuch deine Schuhe aus; denn es ist heilig Land, wo auf du stehest!
Diese Sonne sank, und die Erde vermochte nicht mehr zu fassen das scheidende Licht. Da leuchtet, vom reinsten edelsten Metall, der Heiland am Kreuz, im Gold des Abendroths, und wiederstrahlet so im gemilderten Glanz auf Erden.
Auf einem Felsen steht aufgerichtet das Kreuz, unerschütterlich fest, wie unser Glaube an Jesum Christum. Immer grün durch alle Zeiten während stehen die Tannen ums Kreuz, gleich unserer Hoffnung auf ihn, den Gekreuzigten.“
Amen 
Caspar David Friedrich dichtete: Um ewig einst zu leben, muss man sich oft dem Tod ergeben. Dieser Zweizeiler steht in der Tradition des Barockdichters Angelus Silesius (1624- 1668). Der hatte formuliert: „Mensch, stirbest du nicht gern / so willlst du nicht dein Leben: Das Leben wird dir nicht als durch den Tod gegeben.“

Autor:

Johannes Haak

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