die eherne Schlange
Reminiscere 25.2.2024
GREGORIUS´ SERMON VON DER HEILUNG DURCH DAS UNSICHTBARE UNERHÖRTE
Teuerste, die Schrift schenkt uns eine sonderbare Geschichte und berichtet von einer Arznei, welche in reinem Anschauen besteht. Das wandernde Volk des Herrn ward von Schlangen heimgesucht, viele Töchter und Söhne der Israeliten wurden gebissen, und starben an ihren Verletzungen. Da befahl Gott Mosen, ein Schlangenbildnis aufzurichten. Wer seine Ikone anblicken würde, könne errettet werden. Teuerste! Der Ewige lenkt unseren Blick also auf besondere Weise auf das, was, wie manche gesagt haben, der Fall ist. Durch besonderes Hinblicken auf das, was der Fall ist, würde die Wirkung der Wirklichkeit abgemildert. Man stürbe nicht mehr an ihrem Biss. Sterben wäre also, so will es die alte Geschichte, das Ergebnis einer gewollten Verweigerung des mutigen Blickens.
Von den allerwürdigsten Philosophen belehrt, fragen wir uns, ab wann ein Bildnis von der Schlange der Schlangenwirklichkeit noch gleicht, und ab wann es von seinem Urbild so weit abweicht, dass es zum Zerrbild wird. Wie lange bleibt das Bild heilendes und heiliges Abbild und wo wird es seinerseits selber zur giftigen Schlange? Halten wir vorerst fest: Es gibt die Heilung durch Tinkturen, welche aus den Teilen besonderer Pflanzen gewonnen werden, wie Lazarus es in seinem Evangelium zu berichten weiß. Es gibt auch die Heilung durch Bilder, die von unseren Augen aufgenommen werden. Schenken wir den Pythagoräern Glauben (und wir haben dafür alle Ursache), gibt es auch die Heilung durch den Klang, auch durch Düfte und natürlich durch das Wort Christi, - denn dieses Wort ist die Hauptursache für Heilungen überhaupt.
Eine alte Legende berichtet uns nun, dass unter den von Schlangen Gepeinigten einer gewesen sei, der war blind und konnte nichts sehen. Und weil auch er den Zahn des züngelnden Seraphen schmecken musste und daraufhin niedersank, wand er sich in Qualen, konnte aber das Bild der Schlange nicht sehen, weil seine Augen schwach geworden waren. Da flehte Mose, der Knecht Gottes, zum Herrn, bat für diesen und sprach: "Siehe, Herr, - der blinde Seher dort hinten wurde gebissen; er schaute nach der ehernen Schlange auf, - aber siehe, er vermag sie nicht zu sehen, denn seine Augen sind schwach.“ Da befahl der Herr seinem Knecht Mose, er solle dem Blinden die Schlange genau beschreiben. Und Mose tat so, wie der Herr ihm geboten hatte. Er beschrieb dem Blinden die Natter ganz genau und in jedem ihrer Merkmale und erklärte alles bis ins Kleinste mit Hilfe von Worten. Man sagt, aus dieser Rede sei die spätere Unterweisung der Kirche gekommen; und sie ersetze das fehlende Blicken durch ein geduldiges Anhören.
Nun war da aber noch ein anderer, und dieser war ebenfalls blind, zusätzlich aber auch noch taub. Und auch er wurde wie jener andere ebenfalls von dem Seraphen gebissen. Da drehte man auf Befehl Moses seinen Kopf in Richtung des ehernen Kunstwerkes und erklärte ihm dabei dessen Bild, welches er weder sehen konnte, noch von ihm zu hören vermochte. Weil nun jedoch andere für diesen Beklagenswerten dem Wort des Herrn stellvertretend Glauben schenkten und also handelten, ging auch der Taubblinde nicht zu Grunde. Daher kommen die Fürbitten der Einen für die Anderen bis auf den heutigen Tag. Es gibt sie also, die Heilung durch das Bild und durch das Wort, auch wenn beide nicht von allen wahrgenommen werden können. Wahrhaftig! Es gibt sie, die unsichtbare Heilung durch das Unerhörte.
Teuerste! In die Richtung dieses Unmöglichen wenden wir unsere Häupter, und lenken deren Nachdenken dorthin. Lasst es uns immer wieder versuchen. Und wir schenken dieser Richtung mit einfältigen Gesten und stummen Worten jenes einzige wichtige Wort, das zu lernen je lohnte und das da „Bitte“ lautet und Bitte ist.
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