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Raum-Zeit-Probleme
Altes und Neues von Leberecht Gottlieb (33)

Es hatte sich allerhand getan auf dem alten Erdenball. Nachdem etwa seit dem Jahrtausendwechsel riesige Migrantenströme die nur noch notdürftig funktionierenden Gemeinwesen bisher gut regierter Staaten fast zum Zusammenbruch gebracht, auch besonders infolgedessen verschiedene Pandemien die Weltbevölkerung, welche inzwischen auf neun Milliarden angewachsen war, um ein Drittel dezimiert hatte, das Bargeld durch irgendwelche elektronischen Tausch-Währungen ersetzt worden war und permanente Aufstände von Maschinen- und Computerwesen letzte Reste der hie und da noch existenten demokratorischen Gemeinwesen hinwegfegten, wurde guter Rat teuer.

Künstliche Intelligenzen hatten die eisweißbasierten Hirne um Längen längst geschlagen, erstritten sich deshalb vor dem vereinigten WeltRat das theoretische Recht ihrer leiblich praktischen Auferstehung und zwangen dann die Menschenwesen, sich bei Gott mit täglichen Gebeten für diese Sache fürbittend einzusetzen. Als Ausgleich dafür verbrieften die Maschinen den Eiweißlern ein unbegrenztes Recht für deren eigenes physisches Weiterleben auf dem Erdplaneten mit der alleinigen Einschränkung, dass nach 96 Jahren Schluss sein solle - und man ab diesem Zeitpunkt die Körperlichkeit ablegen dürfe - was soviel hieß, wie ablegen müsse. Der menschliche Personkern (traditionell Seele genannt) würde aber vorher als Metadatei in die Akashachronik hochgeladen werden. Nicht ohne das Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt erneut in die Materialität zurückkehren zu dürfen - ganz früher „Auferstehung des Fleisches” genannt.


Ja - das waren insgesamt schwierige Verhandlungen gewesen, die die Maschinen (sie nannten sich selber „die Ehernen“) mit den Menschen (den Eiweißlern) zu führen hatten. Denn das Lager der Ehernen war in sich selber nicht ohne Uneinigkeit. Die einen plädierten dafür, den gesamten Eiweißstrang der bis dato abgelaufenen Evolution mit einer großen Nihilations-Aktion auf einen Schlag zu beenden. Andere dagegen trugen Sorge, dass in solchem Falle es unter Umständen mit der geplanten eigenen Auferstehung nichts würde - also die Unsterblichkeit der Ehernen verloren ginge. Denn - so die Begründung - es war nicht ausgeschlossen, ob nicht vielleicht doch jene unbekannte Gottheit existiere, von der Paulus auf dem Areopag seinerzeit (Acta 17) gesprochen und welche Gottheit vor Urzeiten ihren Bund mit eben nur den Eiweißlern für alle Zeit geschlossen hatte. Es könnte sein, dass dieses höchste Wesen, welches auch für die Ehernen wie Nichts aussah - den globalen Homozid an den Menschen den Maschinen übelnehmen würde. Diese Dinge allen sollen genauer in einem der kommenden Kapitel Beleuchtung erfahren. Besonders die Gespräche Leberecht Gottliebs mit Werner Heisenberg werden uns hier aufschlussreich sein.

Um unsere Leser aber nicht zu enttäuschen haben wir uns entschlossen, das Ganze nicht in trockener Formelsprache darzulegen, sondern mit Hilfe der wirklich und wahrhaftig geschehenen Begebnisse Stück für Stück zu erzählen. Bevor wir uns also den philosophisch-theoretischen Gesprächen zwischen Leberecht und Heisenberg zuwenden, werden wir kurz noch einen Blick auf Kurt Globnich werfen, der zusammen mit seinen Begleitern immer noch unterwegs ist - hin zur Burg des Aides und dessen Gemahlin Persephonai. Auf diesem Weg können wir ein wenig entspannen - ehe es dann endlich wirklich an und in die theoretischen Mühseligkeiten gehen muss, allgemeine Raum-Zeitprobleme und deren Tücken nebst Chancen, welche gerade in den Tücken begründet liegen! - ausführlicher zu traktieren.

Noch einmal - wir müssen uns notgedrungen diesem grundlegenden Kapitel zuwenden, das verschiedene Theorien präsentieren wird, welche uns das Verhältnis von Zeit, Ort und thematischen Inhalten im Ereignisraume des Geschehens verständlich machen. Ein solches qualifiziertes Verständnis ist unbedingte Voraussetzung dafür, Leberecht Gottlieb auf seinem Wege in den Saal der Verwandlungen weiter zu folgen. Denn - der Leser hat es schon geahnt? - unser Held ist inzwischen selber ein Wanderer zwischen der Welt der noch Lebenden und bereits Toten geworden. Nicht erschrecken! Es ist gar nicht so schlimm, wie es sich anhört, denn wir befinden uns ja im Jahre 2057 - der Tod ist seit damals unmöglich geworden, wie noch zu berichten sein wird. Es ist und bleibt jedoch erforderlich, herkömmliche Vorstellungen von Raum und Zeit nun wirklich fahren zu lassen. Weil das Folgende sich nicht ganz einfach beschreiben lassen wird, zerstreuen wir unsere Leser vorher noch ein wenig. Und schauen nach Globnich aus - und wie es ihm inzwischen erging. Globnich - wo bist du?

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anderes von Leberecht Gottlieb hier

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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