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Dramatisches Baumsterben
Holzernte lohnt für viele Waldbesitzer nicht

Kirchenwald Königerode im Südharz nach dem Sturm Friederike. | Foto: EKM
  • Kirchenwald Königerode im Südharz nach dem Sturm Friederike.
  • Foto: EKM
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Das Aussehen vieler Wälder der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wird sich spürbar wandeln. Aufgrund der extremen Schäden und des global zusammengebrochenen Holzmarktes lohnt sich die Holzernte vielerorts nicht mehr, so dass abgestorbene Bäume stehen bleiben und im Ökosystem Wald dem natürlichen Verfall überlassen werden. Der Schaden in der EKM durch Windwurf und Sturm, Dürre, Insekten und Pilze sowie Waldbrand wird seit 2018 auf ca. 300.000 Festmeter geschätzt. Voraussichtlich müssen fünf Prozent der Waldflächen, also etwa 650 Hektar, neu angepflanzt oder verjüngt werden. Insgesamt speichert der Wald der EKM jährlich etwa 84.500 Tonnen CO².

„Die Beseitigung der Schäden erfolgt in der Regel durch Entnahme und Verkauf des frisch befallenen sowie noch verwertbaren abgestorbenen Holzes. Anschließend folgt die Aufforstung der kahlen Flächen mit gemischten, dem Klima und Standort angepassten Baumarten. Nur bei gesicherter Vermarktung macht die Ernte Sinn“, informiert Susann Biehl, Forst-Referentin der EKM. „Unser Problem ist der global zusammengebrochene Holzmarkt, zurzeit sind viele Sortimente nicht verkäuflich. Gleichzeitig entstehen hohe Kosten für die Beseitigung des Schadholzes, die Verkehrssicherung an den Straßen und zur Bebauung, die Wiederaufforstung sowie die Sicherung der jungen Pflanzen vor Wildverbiss“, berichtet sie.

Deshalb entstünden neue Waldbilder, da es ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll sei, für viel Geld abgestorbenes Holz zu ernten und gestapelt an den Waldrand zu legen. Stattdessen solle es im Wald als Biomasse dem natürlichen Kreislauf zugeführt werden. Das vermodernde Holz sei Lebensraum besonders für Pilze und Insekten, und die freiwerdenden Nährstoffe sowie der Schatten unterstützten die neue Waldgeneration. „Das ist gewöhnungsbedürftig, aber mit diesem unaufgeräumten Wald müssen wir uns vertraut machen – das ist ein Stück Natur“, betont die Forstexpertin.

Für geschädigte Eigentümer gebe es neben der fachlichen Hilfe der Förster neue staatliche Förderprogramme zur Schadensbeseitigung, beispielsweise für Holzeinschlag, Lagerung und Verkehrssicherung. Für das Aufforsten könnten Mittel aus dem Forstausgleichsfonds der EKM beantragt werden. Kirchliche Waldeigentümer sollten sich zunächst vom Förster vor Ort beraten lassen. Bei frischem Borkenkäferbefall könne beim Forstamt die Inanspruchnahme von Fördermitteln für Schadholzbeseitigung beantragt werden. Sei Holz abgestorben und kein aktiver Borkenkäfer-Befall festzustellen oder Laubholz sei bereits unverwertbar, könne es stehen bleiben und dem natürlichen Zerfall überlassen werden.

Befürchtungen von Waldeigentümern, dass sie für die Verkehrssicherung sorgen müssen, beschwichtigt die Forstexpertin. „Nach dem Bundeswaldgesetz gibt es in Deutschland ein freies Betretungsrecht für alle Menschen zum Zwecke der Erholung. Aber das Betreten des Waldes erfolgt auf eigene Gefahr, waldtypische Gefahren sind einzurechnen und führen bei Schäden nicht zur Haftung des Eigentümers“, so Susann Biehl. Ausnahmen seien die Verkehrssicherung an öffentlichen Straßen und bei genehmigter Bebauung. Für die Beseitigung gefährlicher abgestorbener Bäume gebe es seit diesem Jahr in Thüringen Fördermittel.

Der Klimawandel hat laut Susann Biehl in Mitteldeutschland nachweisbare Auswirkungen. Und im Wald könne man nicht wie in der Landwirtschaft nach einem trockenen Jahr im nächsten Frühjahr neu anfangen und andere oder trockenresistente Arten pflanzen. „Der Prozess der Anpassung und Umgestaltung im Wald dauert Jahrzehnte. Die alten Bäume, die jetzt vertrocknen, sind über 100 Jahre mit den Temperaturen und dem Wasser zurechtgekommen. Auf so harte Trocken- und Hitzephasen wie in den letzten Jahren sind sie nicht vorbereitet. Auch viele der gepflanzten jungen Bäume des Waldumbaus sind vertrocknet“, berichtet Susann Biehl. Für Waldbesitzer seien die Folgen dramatisch. „Der Holzverkauf ist die einzige Einnahmequelle, alle anderen Leistungen wie Naturschutz, Erholung, Wegeerhaltung, Verkehrssicherung, Pflicht-Berufsgenossenschaft, Personal, Waldpflege und Pflanzung junger Bäume müssen damit abgedeckt werden“, erklärt Susann Biehl.

In der EKM besitzen hunderte Kirchengemeinden und andere Eigentümer insgesamt etwa 13.000 Hektar Wald. 6,5 Kubikmeter Holz wachsen jährlich je Hektar nach. „Dieser Wald erfüllt alle Waldfunktionen vorbildlich. Er wird nach Leitlinien nachhaltig ökologisch und ökonomisch bewirtschaftet“, betont die Forst-Expertin. Werde der nachwachsende Rohstoff Holz genutzt, speichere ein Kubikmeter etwa eine Tonne CO². „Jeder gepflanzte Baum ist aktiver Klimaschutz und dient der Reduzierung des CO²-Anteils in der Atmosphäre“, so Biehl.

Hintergrund:
Deutschland ist zu einem Drittel bewaldet. Es ist die naturnächste Landnutzungsform und ein Ökosystem mit vielen Funktionen wie Wasser- und Luftfilter, Sauerstoffproduzent, Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere, Naturschutz, Co² -Speicher und Produzent des vielfach verwendbaren, natürlichen und CO²-neutralen, nachhaltig nachwachsendem Rohstoffes Holz, zudem ein Sehnsuchts- und Erholungsort der Menschen. Seit Jahren sinkt in Mitteldeutschland der Wassergehalt im Boden in der Tiefe, in der die Bäume wurzeln. Nachweislich hat sich die Durchschnittstemperatur in Thüringen seit 1881 um 1,4 Grad Celsius erhöht. Durch eine Abfolge mehrerer Stürme seit Herbst 2017 liegt sehr viel Holz im Wald, was Brut- und Vermehrungsmaterial für die Insekten und Pilze bietet. Die gestressten Bäume können sich gegen die unzähligen Insekten aus eigener Kraft nicht mehr wehren. Im Durchschnitt produziert der „moderne“ Mensch 8,9 Tonnen CO² im Jahr. Man benötigt etwa 1,8 Hektar Wald zur Kompensation.

Autor:

susanne sobko

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