Rituale
Beten ist wie telefonieren
Wie Kinder in die christliche Tradition eingeführt werden können.
Von Mirjam Petermann
Joris, drei Jahre alt, sitzt mit seiner Familie und dem Besuch am Tisch zum Kaffeetrinken. Er betet vorher, dankt für das Essen und den Besuch. Bei den Gästen hinterlässt das einen bleibenden Eindruck. Es ist für sie etwas Besonderes, in ein Gebet eingeschlossen zu werden.
Die Erfahrung, gemeinsam zu beten machen Erwachsene wie auch Kinder heute nur noch selten. In der eigenen Familie oder bei den Großeltern kommen Kinder – wenn überhaupt – mit religiösen Inhalten in Verbindung. 2011 gaben in einer Umfrage nur sechs Prozent der Befragten an, vor oder nach jeder Mahlzeit zu beten. 1965 waren es noch 29 Prozent. Belanglose Verse wie »Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb« sind die Überbleibsel dieser einst verbreiteten Tradition.
Umso wichtiger ist es, dass das Gebet wieder ein Thema in Familien und Gemeinden wird. Das beginnt oft mit fest formulierten Versen. »Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe beide Äuglein zu. Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein« oder »Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein« sind sicher einige der bekanntesten. Diese Verse komprimieren den christlichen Glauben und bringen ihn auf den Punkt. Nicht zuletzt gehört dazu auch das »Vaterunser«. Vorformulierte Gebete helfen vor allem den kleineren Kindern einen ersten Zugang zu bekommen. Sie geben ihnen eine Hilfestellung – nicht nur wenn sie jung sind. Auch wenn ihnen später einmal die Worte fehlen, können sie in diese wenigen Verse ihre ganze Gefühlswelt legen.
Nimmt das Verstehen und die Ausdrucksfähigkeit der Kinder zu, können sie auch ermuntert werden, eigene Worte für das zu finden, was sie beschäftigt, wofür sie dankbar sind, was ihnen Freude oder Sorgen bereitet. Das ist natürlich eine Übungssache. Aber je intensiver Kinder das eigene Beten verinnerlichen, desto selbstverständlicher wird es für sie. Es macht sie in ihrem kindlichen Glauben sprachfähig und bietet ihnen einen Zugang zu Gott. Beim Beten erleben sie, dass es außer den Erwachsenen noch jemanden gibt, dem ihr Leben wichtig ist und dem sie alles anvertrauen können – gute und schlechte Erlebnisse. Das kann Kindern im Leben helfen und sie entlasten, denn sie erleben die Gewissheit, nie alleine zu sein.
Vielleicht wird die Frage aufkommen, warum mit Gott gesprochen wird, obwohl er nicht zu sehen ist. Hier bietet das Telefonieren einen passenden Vergleich. Wenn Kinder einmal erlebt haben, dass sie mit jemandem sprechen, den sie kennen, aber momentan nicht sehen können, erhalten sie eine Ahnung davon, wie es ist mit Gott zu reden. Passenderweise unterstützt das Psalm 50, Vers 15, der Vers, der als »Telefonnummer Gottes« bekannt ist: »Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.«
Das Beten mit Kindern ist auch für Erwachsene eine gute Übung in verständlicher Weise zu sprechen. Kinder kennen noch keine Metaphorik, nehmen das Gesagte wörtlich. Begriffe wie Gnade, Heiligkeit, Erlösung, Heilsgewissheit, Opfertod oder Lamm Gottes sind für sie kaum oder gar nicht verständlich. Es empfiehlt sich in verständlicher Alltagssprache zu beten, die auch biblische Begriffe und Sachverhalte einfach und begreifbar ausdrückt. Je näher verwendete Beispiele und Themen am Alltag der Kinder sind, desto einfacher ist es für sie, dem Gebet zu folgen und ihm Glauben zu schenken.
Tipp: Widmaier, Carolin: »Kinder beten – Handbuch mit kreativen Ideen«, Born Verlag, 96 Seiten, ISBN 978-3-87092-553-6, 9,90 Euro.
Bezug über den Buchhandel oder den Bestellservice Ihrer Kirchenzeitung: Telefon (0 36 43) 24 61 61
Autor:Mirjam Petermann |
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