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Als Christ im Alltag vom Glauben reden

Impulse für das Gespräch über die kleinen und großen Erfahrungen mit Gott

Von Gregor Heidbrink

Ein Besuch zum 80. Geburtstag: Da wir uns noch nicht begegnet sind, tasten wir uns ein wenig ab. Er ist nervös, weil der Herr Pfarrer zu Besuch ist. Geistliches spielt erst einmal keine Rolle. Ich frage mich aber, ob ich eine Botschaft für diesen Mann habe. Die Enkel wohnen weit weg. Am Wochenende wollen sie kommen. Soll ich ihm anbieten, ihn zu segnen? Vielleicht ist es (noch) nicht dran. Ich will schließlich eine Beziehung aufbauen und nicht übergriffig wirken.
Selbst Pfarrer kennen diesen Konflikt: Ist jetzt die Zeit, dass ich von meinem Glauben rede – oder nicht. Was wird man von mir halten, wenn ich es wage? Zugegeben, wer den ganzen Tag mit Menschen außerhalb der Gemeinde zu tun hat, empfindet den Konflikt stärker. Religion wird im öffentlichen Leben problematisiert. Glaubensfragen sind kein Smalltalk-Thema. Wissen die in der Firma eigentlich, dass ich Christ bin? Gleichzeitig haben Christen die Worte Jesu im Hinterkopf: Stellt euer Licht nicht unter einen Scheffel! Ihr seid das Licht der Welt! Machet zu Jüngern alle Völker! Und dann gab es da noch diese Verheißung, dass der Heilige Geist selbst den herausgeforderten Christen die richtigen Worte geben will (Matthäus 10,20).
Oft hadere ich: »Wo warst du, Heiliger Geist, als ich vorhin wieder verulkt wurde, warum ich meinen Einfluss auf das Wetter nicht geltend mache?« Die vermeintlich richtige Antwort ist mir mal wieder Stunden zu spät eingefallen.
Eine Lösung für das Problem könnte sein, Taten sprechen zu lassen. Entsprechend zitiert man Franziskus: »Verkündigt das Evangelium, und wenn es nötig sein sollte, benutze Worte.« Bloß dass an den meisten Tagen weder meine Taten noch mein erlöstes Lächeln überzeugend sind. Vor allem aber: Was als guter Ratschlag gemeint ist, taugt nicht zur Ausrede. Es wäre etwas billig, mich nur deswegen auf Taten zu verlegen, weil ich für Worte zu ängstlich bin.
Daneben gibt es auch die »Super-Missionare«, die jede öffentliche Wortmeldung zu benutzen wissen. Scheinbar nehmen sie es auch in Kauf, andere dabei zu verprellen. Wo liegt denn nun die goldene Mitte?
Schließlich traue ich mich und frage den 80-Jährigen, ob ich für ihn und seine Enkel beten dürfe. Hinterher sind wir beide berührt. Er erzählt von seinen Erfahrungen mit dem Gebet. Ich staune. Es war gut, dass ich den Sprung gewagt habe. Ein Gebet anzubieten, miteinander das Vaterunser zu sprechen, das ist oft gerade nicht der Abschluss eines Gespräches, sondern ein Anfang. Auf einmal ist der Geist doch da. Ich bezeuge mit dem Gebet meinen Glauben, dass Gott wirkt. So spreche ich nicht von oben herab von meinem Glauben, sondern als ein Zeuge.
Drei Impulse erwachsen daraus:
Erstens: Mit Angst muss man sich nicht abfinden. Wer die Mutmuskeln trainieren möchte, findet Gelegenheit: Beim Schreiben der nächsten Beileidskarte; beim Segenswunsch an der Supermarktkasse vor den nächsten Feiertagen; beim ehrlichen »Gott sei Dank«, wenn ein Kollege etwas Schönes erzählt.
Zweitens: Im Gespräch lassen sich durchaus Signale der Hoffnung setzen. Dass wir dabei oft ängstlich sind, ist auch ein Hinweis unserer Seele. Sie sagt: »Hier ist eine geistliche Aufgabe, die du nicht aus eigener Kraft tun sollst, sondern aus Gebet und Hören auf Gott.« Das gilt ebenso im Vorfeld, wenn mir Menschen bewusst werden, denen ich gerne etwas sagen würde.
Drittens: Wer über seinen Glauben reden will, kann sich zunächst fragen, was er bezeugen kann. Wie viele kleine und große Erfahrungen mit Gott gibt es! Da ist eine Frau, die einen Berg bestiegen hat. Sie blickt über die Täler und sieht einen kleinen See schöner als der schönste Edelstein. Und dann schleicht sich in ihr Gefühl der Satz: »Das alles gibt es doch nicht zufällig. Das hat Gott gemacht.« Das ist eine Glaubenserfahrung, die ihr niemand nehmen kann. Ein anderer erfährt Trost beim Abendmahl: »Ich weiß, dass Christus mich kennt und mir nah ist.« Er merkt, dass er mit Gott und sich dadurch ins Reine kommt. Eine andere sucht die Ruhe unserer Kirche. Sie hat ein schweres Schicksal, aber sie sagt: »Ohne meinen Glauben würde ich es nicht aus-
halten.«
Wer authentisch über seine Erfahrungen redet, wird in der Regel dafür respektiert. Ohne dass man gleich von ihm erwartet, auf jede Frage eine Antwort zu wissen.

Der Autor ist promovierter Theologe und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

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Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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