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Das Leben feiern: Die stillen Feiertage

Die Karwoche offenbart die Zerbrechlichkeit des Daseins: Unser Glaubenskurs »Credo« widmet sich den kirchlichen Festen und zeigt, warum sie eine Schule für Lebenskunst sind.

Von Fabian Vogt

Ein kluger Mensch hat mal gesagt: »Probleme kann man lösen. Spannungen muss man aushalten.« Vielleicht kann man Spannungen sogar konstruktiv nutzen, aber sie werden niemals aufhören. Zum Beispiel wird man noch in Jahrhunderten darüber diskutieren, ob es besser ist, Traditionen zu bewahren oder regelmäßig Neues zu entwickeln. Lösen lässt sich da nichts. Wie sehr das Leben von solchen Spannungsfeldern geprägt ist, zeigt die Karwoche (die Woche vor Ostern), in der mehrfach sehr gegensätzliche Empfindungen aufeinandertreffen.
Los geht es mit dem Palmsonntag, der seit dem 9. Jahrhundert in der gesamten Christenheit gefeiert wird. Zur Erinnerung: Am Sonntag vor Ostern lässt sich Jesus von seinen Jüngern eine Eselin bringen und reitet auf ihr demonstrativ in die Stadt Jerusalem. Und alle, die sich im Alten Testament auskannten, dachten sofort daran, dass der Prophet Sacharja verkündet hatte, der Messias werde auf einem Esel in die Stadt kommen. Kein Wunder, dass die Massen am Straßenrand standen, dem staubigen Eselsreiter zujubelten und Palmzweige auf die Straße streuten – was in der Antike quasi als »Roter Teppich« galt. Allerdings: Die Leute hofften fast alle, Jesus würde als politischer Reformer die römische Besatzungsmacht vertreiben … und weil er das nicht tat, schlug die Stimmung schnell um. Und darin steckt eine ganz zeitlose Frage: Wo projizieren wir möglicherweise noch heute unsere eigenen Sehnsüchte und Hoffnungen auf Jesus?
Wenige Tage später kommt es dann am Gründonnerstag zur berühmten Einsetzung des Abendmahls. Und das birst schier vor Spannungen: Einerseits feiert Jesus mit seinen Jüngern das festliche Passahmahl, das an den Auszug des Volkes Israel aus der Gefangenschaft erinnert, andererseits macht er den Anwesenden deutlich, dass sein Verrat und sein Tod kurz bevorstehen. Puh! Da mischt sich die Freude über das Versprechen Jesu, auch zukünftig bei den Menschen zu sein, wenn sie in seinem Namen gemeinsam essen, mit der Wut und dem Unverständnis über den ungewollten Abschied. Mehr noch, Jesus erklärt: »So wie Gott mit dem Volk einen Bund geschlossen hat, so schließe ich jetzt einen Bund mit euch.« Die Gemeinschaft beim Abendmahl wird fortan zum Symbol der Gegenwart Gottes. Was natürlich die spannende Frage aufwirft, ob und wie wir mit anderen Menschen (in und außerhalb der Kirche) die Gegenwart Gottes erleben.
Doch an diesem Abend passiert noch etwas, das die vielen Spannungen des Lebens thematisiert, nämlich die Fußwaschung. Ganz überraschend fängt Jesus an, seinen Jüngern die Füße zu waschen, die das nach dem Wandern auf den staubigen Straßen vermutlich nötig hatten. Doch Füße-Waschen ist Sklavenarbeit, und so wird der Jünger Petrus richtig sauer: »Niemals lasse ich mir vom Sohn Gottes die Füße waschen.« Woraufhin ihm Jesus deutlich macht, dass es im Reich Gottes um das Dienen geht. Wenn der Starke dem Schwachen hilft, dann wird das Evangelium lebendig. Das wirft damals wie heute alle Hierarchievorstellungen über den Haufen: Wer anderen dient, der ist groß!
Und dann kommt der Karfreitag – und weil »Kar« ursprünglich »Klage« heißt, geht es um einen Jammerfreitag. Um den Tag, an dem deutlich wird, wozu Menschen fähig sind. Ein Aufschrei gegen jede Willkür und jede Bosheit. Denn Jesus, der keiner Fliege etwas zuleide getan hat, wird ans Kreuz geschlagen – weil er die Denkstrukturen der Führenden in Frage gestellt hat. Schon durch Ideen wie: Liebe ist wichtiger als Macht. Doch in den Schmerz seiner Anhänger mischt sich plötzlich eine merkwürdige Irritation: Hat Jesus nicht angekündigt, dass er sterben müsse? Und heißt es nicht beim Propheten Jesaja: »Fürwahr, er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen«? Was, wenn dieser Tod einen Sinn hat? Wenn Jesus gewissermaßen für die Menschen stirbt, um ihnen so einen Weg zu Gott und zum Leben aufzuzeigen? Wie dieser Tod am Kreuz genau zu deuten ist, darüber streiten Wissenschaftler schon seit 2000 Jahren. Doch eines ist klar: Auch wenn etwas stirbt, kann daraus neues Leben entstehen. Das ist vermutlich die größte Spannung von allen.

Der Autor ist Theologe, Schriftsteller und Kabarettist

Autor:

Online-Redaktion

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