Neues Geschäftsfeld
Wenn der Pfarrer den Konsum rettet
Treffpunkt Dorfladen: Fast wäre der einstige Konsum im brandenburgischen Tröbitz nahe Bad Liebenwerda Geschichte gewesen. Dann aber hatte Pfarrer Stefan Branig eine geniale Idee.
Von Birgit Keilbach
Vier Monate lang blieben die Türen zum ehemaligen Edeka-Markt in Tröbitz geschlossen. Nun ist er wieder zum Leben erweckt. Steffen Lehmann und Tochter Marga kaufen gerade ein. „Wir sind froh, kleine Besorgungen weiterhin im Ort machen zu können. Hier gibt es alles, was man zum Leben braucht“, sagt der junge Familienvater. Auch Marianne Wagner freut sich: „Ich habe kein Auto und müsste sonst mit dem Fahrrad nach Doberlug-Kirchhain fahren. Wir kennen uns schon ewig. Ich brauche bloß Bescheid zu sagen und schon packen sie mir alles zurecht, was ich möchte“, erzählt die 69-Jährige. Auch Rosi Gassan kaufte hier schon ein, als der Markt noch Konsum hieß. „Ich freue mich, dass ich wieder in die vertrauten Gesichter der Verkäuferinnen sehen kann“, sagt die Seniorin.
Cornelia Langer ist eine von ihnen. Sie begann 1976 im damaligen Konsum als Lehrling und blieb. „Wir waren geschockt, als die Nachricht von der Schließung kam und froh, als Pfarrer Branig im März fragte, ob wir weitermachen.“ Gemeinsam mit den langjährigen Kolleginnen Silvia Böttcher und Martina Henke hält sie den Laden nun weiter am Laufen.
In der Gemeindevertretung war die Schließung des Einkaufsmarktes schon im Oktober ein Thema. „Es gab viel Unruhe im Dorf. Vor allem für die Älteren drohte damit eine gut erreichbare und auch die einzige Einkaufsmöglichkeit wegzubrechen“, sagt Pfarrer Stefan Branig, der auch im Gemeinderat des kleinen Ortes im Landkreis Elbe-Elster sitzt. Zudem erfülle der Markt eine wichtige soziale Funktion. „Hier gehen die Menschen nicht nur einkaufen, sie treffen sich, reden miteinander, tauschen sich über die Neuigkeiten aus. Es ist ein Stück Lebensqualität und gerade im ländlichen Raum sehr wichtig.“
Die Suche nach einem neuen Betreiber blieb erfolglos. Im Vorstand des Diakonischen Werkes Elbe-Elster wurde das Thema diskutiert. Doreen Fröschke brachte Erkenntnisse einer französischen Studie zum Überleben kleiner Dörfer in der Provinz ein. „Es geht darum, das Leben durch kleine Begegnungsstätten und Cafés zu bereichern. Im Frankreich-Urlaub habe ich das auch selbst schon gesehen“, sagt das Vorstandsmitglied. Der Vorstand beschloss, den Markt künftig selbst zu betreiben.
Mit der Übernahme wegbrechender sozialer Einrichtungen im Ort haben Pfarrer Stefan Branig und seine Mitstreiter schon Erfahrung. 1990 gründete er die Diakonie-Sozialstation. Drei Jahre später wurde das Diakonische Werk des Kirchenkreises Finsterwalde gegründet und übernahm den Kindergarten von der Gemeinde Tröbitz. Seit 1994 betreibt es ein Frauenhaus. Und als die staatliche Schule 2001 geschlossen werden sollte, übernahm die Diakonie, inzwischen als Diakonisches Werk Elbe-Elster auf breitere Füße gestellt, auch diese in ihre Trägerschaft.
„Familien entscheiden sich, hierzubleiben, wenn Kindergarten und Schule im Ort sind. Das ist auch für die Arbeitgeber im Gewerbegebiet wichtig. Es lohnt sich für die Menschen dann, hier sesshaft zu bleiben“, erläutert der Pfarrer. Für die Kirchengemeinde sei es außerdem eine Chance, den Menschen das Evangelium vorzuleben, christliche Werte zu vermitteln.
Durch die Erfahrungen sei auch der Einstieg in ein neues Geschäftsfeld kein so großer Schritt gewesen. Die neu gegründete evangelische Landgemeinschaft Niederlausitz sei allerdings die erste nicht gemeinnützige GmbH unter dem Dach der Diakonie. „Gewinn müssen wir nicht machen, aber Umsatz und Betriebskosten müssen aufgehen. Und wir brauchen auch Einnahmen für notwendige Reparaturen, Ersatzanschaffungen sowie Verschönerungsarbeiten.“ Mit dem Eigentümer konnten gute Bedingungen ausgehandelt werden, die erste Zeit bleibt mietfrei. „Der Vermieter will auch, dass unser Vorhaben gelingt. Er baut selbst einen naheliegenden Wohnblock barrierefrei aus“, sagt der Pfarrer. Dann haben die künftigen Bewohner einen kurzen Weg für ihre Einkäufe.
Der schlichte Betonbau aus den 1970er-Jahren steht unter Denkmalschutz und soll in Absprache mit der Denkmalbehörde noch verschönert werden: Ein barrierefreier Zugang für Kunden mit Rollator ist geplant und auch eine Postfiliale und Lotto-Annahme sind angedacht. Wenn die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie einmal Geschichte sind, soll die Treffpunkt-Funktion wieder aufleben. Eine kleine Sitzecke ist schon eingerichtet. Perspektivisch könnte der Einkaufsmarkt auch zu einem Treff für alle Einwohner ausgebaut werden, den die Tröbitzer nicht mehr haben, seit das alte Gemeindehaus abgerissen wurde.
Autor:Online-Redaktion |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.