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DDR
Als das Politbüro in die Kirche musste

Orgel in der Kapelle des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK)  in Genf | Foto: kna-bild/Magdalena Thiele
  • Orgel in der Kapelle des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Genf
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Mahagoni-Holz aus Ghana, Blei aus Großbritannien und Orgelpfeifen aus der DDR - alles an einem Ort. Wer den Weltkirchenrat in der Gemeinde Grand-Saconnex bei Genf besucht, stolpert womöglich über die "Sozialistenorgel" in der Kapelle. Die Orgel, "Königin der Instrumente", ist schließlich untrennbar mit Kirche verbunden - alles andere als eine Vorliebe des DDR-Politbüros.

Von Magdalena Thiele (kna)

Anfang der 1960er Jahre wurde das Ökumenische Zentrum errichtet, bis heute Sitz des Weltkirchenrates (Ökumenischer Rat der Kirchen, ÖRK). Kirchen von allen Kontinenten wurden mobilisiert, sich zu beteiligen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beizutragen. Überall in dem Gebäude finden sich die Geschenke, die sie gemacht haben.

Eines ist eben besagte Orgel. "Mehrere Gemeinden in der damaligen DDR sammelten Spenden in Ostmark - nicht in Euro bezifferbar -, um eine Orgel anzubieten. Die Mittel ermöglichten den Bau der Orgel zunächst in Potsdam, später in Genf durch DDR-Arbeiter", erläutert Reverend Odair Pedroso Mateus, langjähriger "Chefökumeniker" des Weltkirchenrates. Das Exemplar im Ökumenischen Zentrum sei nicht das einzige aus der DDR: Die Orgel in der Kapelle des Ökumenischen Instituts des ÖRK in Bossey bei Genf sei ebenfalls ein Geschenk der DDR-Kirchen. 1955 bis 1966 war der deutsche Theologe Hans-Heinrich Wolf Direktor des Ökumenischen Instituts.

Orgeln also aus einer Region, die 40 Jahre vom Kommunismus geprägt wurde; bis heute sind die ostdeutschen Bundesländer stark säkularisiert. Rund 70 Prozent der Bevölkerung gaben 2022 laut dem Portal Statista an, nicht an einen Gott zu glauben.

Und dennoch brach hier zu Beginn der 70er Jahre ein regelrechter Orgel-Hype aus - "vermutlich verursacht durch ein Vakuum in der als natürlich empfundenen Religiosität", so der Brandenburger Orgelbaumeister Markus Voigt. Er hat seine Dissertation über Orgeln in der DDR geschrieben und leitet den 1855 gegründeten Betrieb der Familie in Bad Liebenwerda.

Nach dem Krieg entstanden Plattenbauten in rasantem Tempo. "Kühle, emotionslose Gebäude", sagt Voigt. "Mit jedem neuen Bau stieg die Sehnsucht nach kulturellen Erlebnissen. Orgelkonzerte waren einfach zu veranstalten, und die staatliche Gesinnungslenkung hatte es nicht geschafft, den Menschen ihre spirituellen Bedürfnisse auszutreiben." Besonders ärgerlich für die Parteiführung sei gewesen, dass mitunter die eigenen Leute in Kirchen gingen, um Orgelkonzerte zu hören.

Als der Druck aus den sozialistischen Reihen zu groß wurde, widmete die SED-Führung stillgelegte Kirchen zu Konzertsälen um, wie der Orgelbauer berichtet. Und schließlich wurde das Instrument auch zur Devisenbeschafferin. "Die normale Lieferzeit einer Orgel in der DDR betrug - wie bei vielem, Autos, Wohnungen - zehn Jahre. Sobald westliche D-Mark im Spiel war, ging natürlich fast alles sofort." Möglichst viele der in der DDR gefertigten Orgeln sollten in den Westen gehen, sagt Voigt, denn dort seien sie gefragt, konkurrenzlos günstig und dennoch von guter Qualität gewesen.

Aber es blieb mehr als Westmark vom Hype um die Königin der Instrumente. "Dadurch wurde eine eigene Orgelkultur geschaffen", erklärt Voigt. Die Stücke, die das sozialistische Weltbild nicht störten, mussten erst geschrieben werden. "Viele Komponisten wurden dafür staatlich gefördert."

Tatsächlich hatte auch Erich Honecker als Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED eine Schwäche für Orgelmusik - vielleicht weniger aus musikalischen als aus politischem Interesse. Jedenfalls gab er für den DDR-Prestigebau des Westin Grand Hotels 1987 in der Friedrichstraße eigens eine Holzorgel in Auftrag. Das Instrument im Jagdzimmer des Hotels trug die Initialen E.H.; solange, bis es wegen eines Wasserschadens vor 15 Jahren abgebaut werden musste.

Seine ältere Schwester in der Schweiz dagegen spielt noch - und erzählt die Geschichte des DDR-Orgel-Kapitels weiter. Seit 2017 darf sie sich als Abkömmling des deutschen Orgelbaus sogar immaterielles Kulturerbe nennen.

Autor:

Katja Schmidtke

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