Die Mutprobe
Für das Projekt »Offene Kirche« setzt sich in Wahrenbrück und darüber hinaus der Pfarrer ein
Natürlich kann man zu Hause beten. Aber Kirchen, so sagt Pfarrer Michael Seifert aus Wahrenbrück im Kirchenkreis Bad Liebenwerda, Kirchen sind doch besondere Räume. »Sie nehmen uns aus dem Alltag heraus, sie sind der Ort, wo wir den Draht zu Gott leichter finden, wo wir alles loswerden können«, sagt Seifert. Was für eine Wohltat, dem eigenen Bedürfnis folgen zu können und in eine Kirche zu gehen. Auch wenn es nicht Sonntag um 10 Uhr ist und die Glocken zum Gottesdienst läuten.
Und so ist auch die Wahrenbrücker Kirche eine offene, schon lange bevor Landesbischöfin Ilse Junkermann im Herbst 2015 die Initiative »Offene Kirche« ins Leben rief. Nicht nur, damit die an Kirchengebäuden steinreiche EKM eine gute Gastgeberin im Reformationsjahr ist. Sondern auch für die Menschen in den Dörfern und Städten, für die Gläubigen wie für die Zweifler und Kirchenfremden. Junkermann wird nicht müde zu betonen, dass es bei der Initiative um nicht weniger als einen Paradigmenwechsel geht. An der – meist praktischen – Frage der Kirchenöffnung entscheidet sich auch das Selbstbild der Gemeinde: Sind wir uns genug? Was ist unser Auftrag? »Wir haben noch zu wenig im Blick, dass Menschen Bedürfnisse nach geistlichen Impulsen haben«, sagt die Landesbischöfin.
Auch in Wahrenbrück in der Niederlausitzer Heidelandschaft dachten Pfarrer und Gemeindekirchenrat zunächst an Touristen, an Radfahrer und Wanderer, die die Kirche besuchen möchten. Immerhin ist der kleine Ort die Heimat von Carl Heinrich Graun, der unter Friedrich dem Zweiten in Berlin die Musikszene prägte. In Wahrenbrück wurde er geboren und getauft, und immer wieder fragten musikliebhabende Touristen deswegen an. Zudem liegt Wahrenbrück an der Kirchenstraße Elbe-Elster, die auf neun Wegen 55 Gotteshäuser verbindet. Nicht weit davon entfernt liegen die Routen der mitteldeutschen Kirchenstraße und schöne Fahrradwege. »Deshalb haben wir im Gemeindekirchenrat beschlossen, die Kirche tagsüber nicht mehr zuzuschließen. Seit 2010 ist unsere Kirche von Ostern bis zum Ewigkeitssonntag geöffnet«, erinnert sich Pfarrer Seifert. Natürlich gab es Bedenken wegen Dreck und Vandalismus, aber passiert ist nichts. Werbung gemacht für ihre offene Kirche hat die Gemeinde nicht. »Wir wollten, dass es sich unter den Menschen herumspricht, dass die Einheimischen kommen.«
Und so ist es geschehen. Wer auf dem Friedhof das Grab seiner Angehörigen gepflegt hat, findet in der Kirche Raum für ein stilles Gebet, ebenso jene Menschen, die auf der Suche nach Ruhe und Besinnung sind. Einmal fragte auch eine junge Musikschülerin an, die gerne in der Kirche proben wolle, es klänge dort einfach schöner.
In Wahrenbrück gibt es keine Aufsicht. Keinen, an dessen Türe man klingeln und um den Kirchenschlüssel bitten muss. Hier ist die Tür einfach offen.
An seine Kollegen im Kirchenkreis hat Pfarrer Seifert einen so leidenschaftlichen wie informativen Brief geschrieben, nachdem er von der Initiative der Landeskirche erfahren hat. Auch der stellvertretende Präses der Kreissynode, Markus Voigt, hat die Gemeinden zum Nachdenken aufgerufen. »Früchte hat es nicht getragen«, bilanziert Pfarrer Seifert. Einzig Bad Liebenwerda wird seine Kirche offen halten, das stehe aber schon länger fest. »Mein Brief mag in die Gemeindekirchenräte gekommen sein. Er hatte aber keinen Erfolg, so die Antwort auf meine Nachfrage bei den Kollegen.«
Dabei sei Wahrenbrück doch ein ermutigendes Beispiel, und auch die Landeskirche strecke mit vielen Informationen, Hilfs- und Beratungsangeboten und nicht zuletzt der neuen Versicherung die Hand aus. (kas)
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