Wort zur Woche

Michael, vergiss nicht, wer du bist!

Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Epheser 5, Verse 8b.9

Wandeln – was für ein schönes, poetisches Wort! Im Original benutzt der Verfasser des Epheserbriefes das griechische Wort peripateite (lauft herum!). Verschiedene Bibelübersetzungen nehmen es auch so auf: „lebt wie …“, „verhaltet euch so wie …“, „geht umher wie …“. „Wandeln“ ist natürlich nicht nur poetischer als „herumlaufen“. „Wandeln“ ist mehr. Darin steckt auch „Verwandlung“ (oder doch wenigstens die Möglichkeit einer solchen).
Ich denke, der Verfasser des Epheserbriefes meint es genau so, wenn er die Adressaten in seinem Brief zu einer untadeligen Lebensführung ermahnt: durch den Glauben an Christus als Retter und Erlöser der Welt seid ihr verwandelt. Darum „ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder“ (so heißt es kurz davor), und darum: wandelt als Kinder des Lichts.
Michael, ein Freund, erzählt, dass seine Mutter ihm als Jugendlichem in den 1970er-Jahren stets diesen einen Spruch mitgab, wenn er aus dem Haus ging: „Und Michael, vergiss nicht, wer du bist!“ Wie nervig, schon damals. Die Mutter meinte es sicher gut und wollte, dass Michael durch sein Verhalten nicht den Ruf der Familie ruinierte oder gar selbst zu Schaden kam. Aber sie erreichte damit genau das Gegenteil.
Michael erzählte, dass er sich über diesen Satz manchmal so geärgert hat, dass er extra etwas tun wollte, was dem Familiencodex nicht entsprach. Zum Glück hatte seine Mutter nie erfahren, dass er auch einmal bei einem Ladendiebstahl ertappt wurde …
Mit wohlmeinenden Ermahnungen ist es so eine Sache. Ich bin froh, dass sich die Pädagogik weiterentwickelt hat und wir manches heute auch anders sagen können als – wenngleich damals in bester Absicht – vor zweitausend oder vor fünfzig Jahren. Den Ansatz des Epheserbriefes halte ich auch heute für richtig, denn: Christus hat diese Welt verändert. In seinen Fußstapfen zu gehen, ist daher nicht einfach „herumlaufen“. Sondern es gilt: von Christus befreit zu wandeln als ein Kind des Lichts!

Christoph Ernst,
Superintendent im Kirchenkreis Bad Salzungen-Dermbach