Interview mit Christoph Ernst
Von der See ins Sole-Heilbad – das pralle Leben
Der Kirchenkreis Bad Salzungen-Dermbach hat einen neuen Superintendenten. Bereits im Juni hatte die Kreissynode Christoph Ernst mit großer Mehrheit gewählt. Am 29. Oktober wird der gebürtige Görlitzer in sein Amt eingeführt. Beatrix Heinrichs hat mit ihm gesprochen.
Sie waren zuletzt als Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission in Hamburg tätig. Was kann die Kirche an Land von der Gemeinde auf See lernen?
Christoph Ernst: Die „kleine Gemeinde“ auf hoher See ist stets in Gefahr. Wenn Sie in Hamburg von der A7 aus in den Hafen blicken, dann sieht so ein 400 Meter langes Containerschiff gewaltiger aus als unsere Kirchengebäude, aber auf hoher See hat so ein Schiff keinen Boden unter den Füßen und ist oft rauer See ausgesetzt. Auf so einem riesigen Schiff sind auch nur 20 bis 25 Leute, die an verschiedenen Positionen Dienst tun. Da braucht es viel Hoffnung, Gemeinschaft und Gottvertrauen, aber sollten Schiffe deshalb besser im sicheren Hafen bleiben? Raustreten in die gesellschaftlichen Stürme unserer Zeit, das wünsche ich mir für unsere Kirchenschiffe heute.
Nach dem Mauerfall sind Sie im Ausland unterwegs gewesen, unter anderem als Auslandspfarrer in Kanada. Was bedeutet Heimat für Sie?
Heimat, das sind für mich die Menschen, die mir im Laufe meines bisherigen Lebens an unterschiedlichsten Orten wichtig und die zu Freunden geworden sind. Ich habe Studienfreunde aus den USA, etliche Freunde in Kanada. Überhaupt bin ich sehr neugierig und kann mich auch an vielen Orten dieser Welt zu Hause fühlen, solange es da Menschen gibt, mit denen die Chemie stimmt.
Als die Kinder in Kanada noch kleiner waren, sagten sie immer: wir fahren nach Hause, nach Deutschland – aber sie kannten Deutschland gar nicht, sondern Deutschland war für sie identisch mit den Großeltern. Davon habe ich viel gelernt!
Vor welchen Herausforderungen steht der Kirchenkreis in den nächsten Jahren?
Ich glaube, wir müssen unsere Kirche immer wieder ganz neu denken. Also: Was geht mit unseren personellen Ressourcen? Wie bleiben wir gesund, wenn jede/r Pfarrer/in wenigstens eine Vakanz mitbetreut? Am wichtigsten ist mir, dass wir in die Zivilgesellschaft ausstrahlen. Nicht die kleinen Zahlen in unseren Gottesdiensten machen mir die größten Sorgen, sondern ich stelle mir täglich die Frage: Wie können wir die christliche Hoffnung, die in uns ist, denen weitergeben, die uns bei aller Volks- und Kulturkirchlichkeit hier in der Gegend gar nicht im Blick haben, weil sie bereits „vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben“ (Axel Noack)?
Bevor Sie in Leipzig Theologie studierten, haben Sie als Filmvorführer gearbeitet. Wenn Sie die Wünsche für die Kirche der Zukunft in eine Leinwandvision gießen müssten, wie sähe die aus?
Kennen Sie die dänische Pfarrhausserie „Die Wege des Herrn“? Da kommt das ganze kirchliche Leben vor: strukturelle Anpassungen, stures Bewahrenwollen, neue Ideen für kirchliches Leben, menschlich schwierige Pfarrer und Bischöfinnen, Suchtprobleme, neu entdeckte Sexualität ausgerechnet der Pfarrfrau – das pralle Leben sozusagen! Am Ende aber zählt der ehrliche Umgang miteinander und die unerschütterliche Hoffnung, dass alles auch ganz anders sein und werden kann. So einen Film möchte ich hier auch drehen, aber nicht ohne Humor und Selbstironie! Regie: Woody Allen. Amen.
Autor:Beatrix Heinrichs |
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