Eine Frage der Definition
Zwischen Form und Inhalt: Formale Kriterien entscheiden, wann eine Klinik, eine Sozial-
station oder ein Pflegedienst sich diakonisch nennen dürfen. Das Beispiel der Lungenklinik Ballenstedt fordert zum Umdenken auf.
Von Katja Schmidtke
Die Diakonie Mitteldeutschland prüft den Ausschluss einer Einrichtung. Der Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands (EKM) und der Landeskirche Anhalts beschäftigt sich mit der Lungenklinik Ballenstedt. Der Grund: Das Krankenhaus, das bis zum vergangenen Jahr alleinig zur Evangelischen Stiftung Neinstedt gehörte, hat seit Februar 2017 einen weiteren Gesellschafter. Das kommunale Harzklinikum »Dorothea Christiane Erxleben« hält inzwischen 51 Prozent der Geschäftsanteile der Lungenklinik.
Das hat Folgen. »Eine Einrichtung ist dann der Diakonie zuzuordnen, wenn die Kirche den entscheidenden Anteil hat, wenn sie das Sagen hat«, erklärt Wolfgang Teske, kaufmännischer Vorstand der Diakonie Mitteldeutschlands. Das ist die derzeitige Rechtslage.
Doch ein Ausschluss scheint von keinem Beteiligten gewollt und so laufen seit Monaten viele Gespräche. Das Kirchenrechtliche Institut wurde um ein Gutachten gebeten. Über einen möglichen Ausschluss oder eine weitere Zuordnung entscheidet der Diakonische Rat, dem hochrangige Vertreter der beiden Landeskirchen angehören.
»Wir stehen hier vor dem echten Problem zu definieren, was Diakonie eigentlich ist«, sagt Anhalts Kirchenpräsident Joachim Liebig auf Nachfrage von »Glaube+Heimat«; die Lungenklinik Ballenstedt befindet sich auf dem Gebiet der anhaltischen Landeskirche.
Wer sich Diakonie nennen und das Kronenkreuz im Logo tragen darf, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu zählen etwa das Arbeitsrecht und die Gesellschafterstruktur. Was aber, wenn wie im Falle Ballenstedts das Unternehmen eigenständig im Status einer Tochtergesellschaft des kommunalen Trägers bleibt, wenn Arbeitsverträge nicht angetastet werden, es weiterhin eine Klinikseelsorge, einen Besuchsdienst und eine Hospizgruppe gibt?
Zudem hat die Evangelische Stiftung ein Vetorecht. Befürworter werten dies als eine Reihe von Argumenten, die dafür sprechen, dass die Ballenstedter Klinik Mitglied der Diakonie bleibt.
Dass die Lungenklinik überhaupt gemeinsam mit dem Krankenhaus des Landkreises Harz geführt wird, hat auch wirtschaftliche Gründe. Die Verwaltung wird gebündelt, das führt zu Einsparungen und durch den Verbund eröffneten sich neue Leistungsfelder, berichtete die »Volksstimme« bereits vor einem Jahr. Harzklinikum und Stiftung wollen mit der gemeinsamen GmbH die Lungenklinik als Krankenhaus der Region stärken. Anhalts Kirchenpräsident Joachim Liebig betonte, Kirche, Klinik und Diakonie bleiben im Gespräch. Die Frage, welche Rolle ein diakonisches Selbstverständnis und ein geistliches Profil in der Zuordnung spielen und wie belastbar inhaltliche Kriterien sein müssen und überhaupt sein können, stelle sich indes nicht nur für das Diakonische Werk und die beiden Landeskirchen in Mitteldeutschland. Es sei ein bundesweites Thema.
»Bisher gibt es da keine Einheitlichkeit, das ist außerordentlich bedauerlich«, so Liebig weiter. Nicht nur Änderungen der Gesellschafterstruktur, auch neue arbeitsrechtliche Wege fordern zum Nachdenken auf, wann ein Sozialunternehmen sich Diakonie nennen darf und wann nicht. Dies sei eine berechtige Frage der diakonischen Dachverbände an die verfasste Kirche. Aufs Tableau kommen all diese Themen, weil die Wirtschaft das Soziale längst durchdringt. Das Umfeld hat sich verschärft, die Konkurrenz durch nichtkirchliche Träger ist groß geworden.
Indes hat die Mitgliederversammlung der Diakonie Mitteldeutschland einen Sanktionskatalog verabschiedet, um künftig differenzierter auf Verstöße gegen das Satzungsrecht reagieren zu können. »Bislang hatten wir außer dem Vereinsausschluss keine anderen Möglichkeiten«, schildert Vorstand Wolfgang Teske und zählt als neue, weitere Möglichkeiten Ermahnungen oder die Einschränkung von Rechten auf. Der Ausschluss aus dem Dachverband gilt als ultimo ratio.
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