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Eine böse Tat, ein Fluch und seine Folgen

Gedenkstein: An dieser Stelle befand sich das Kloster Cölbigk, das bis 1024 gegründet wurde. Das »Tanzwunder« soll sich in den Jahren 1020 oder 1021 abgespielt haben. | Foto: Engelbert Pülicher
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In einem Dorf in Anhalt passierte vor 1 000 Jahren Seltsames. Als »Tanzwunder von Cölbigk« ist es überliefert. Was man darüber weiß, und was nicht.


Von Angela Stoye

An der Kirche St. Severin von Ilberstedt nahe Güsten steht eine seltsame Gestalt aus Blech. Trotz gebeugter Haltung scheint sie kräftig auszuschreiten. Auf dem Rücken trägt sie einen Sack, aus dem ein Spielzeug und ein Rutenbündel hervorlugen. Die Gestalt befand sich am Kirchturm des Klosters im benachbarten Cölbigk. Mit dem Ort ist die Legende vom »Tanzwunder« verbunden, das sich vor fast tausend Jahren hier ereignet haben soll. Damals soll ein Rutpertus oder Ruprecht in Cölbigk Priester gewesen sein. Im Lauf der Jahrhunderte wurde er wohl zur Vorlage für den Nikolaus-Gehilfen Knecht Ruprecht und der im Raum Bernburg angesiedelten Gestalt des »Heele Christ«.
Die Legende vom Cölbigker »Tanzwunder« ist unter anderem in der Historie des Fürstentums Anhalt (1710) überliefert: Im Jahr 1021, als Kaiser Heinrich II. regierte, sollen auf dem Friedhof an der Kirche St. Magnus in Cölbigk 15 Bauern und drei Frauen in der Christnacht getanzt, gelärmt und damit die Messe gestört haben. Der Priester ermahnte sie. Als das nichts half, verfluchte er sie: Alle sollten ein Jahr weitertanzen müssen. So geschah es. Unter den Tanzenden befand sich auch die Schwester des Kirchners. Als dieser sie am Arm wegziehen wollte, riss der Arm ab. Die Schwester musste weitermachen wie alle anderen, bis sie »unter ihre Gürtel Kulen in die Erde getanzt« hatten. Nach einem Jahr kamen Bischöfe aus Köln und Hildesheim nach Cölbigk und konnten nach Gebeten den Fluch lösen. Vier Tänzer, darunter die junge Frau, starben, die anderen verließen wohl den Ort. Als Beispiel für einen frevlerischen Tanz nahmen die Gebrüder Grimm die Geschichte in ihre Sagensammlung auf.
Die bislang spärlich erforschte Siedlungsgeschichte Cölbigks stellte der Diplom-Geograf Karsten Falke kürzlich bei einer Tagung des Landesheimatbundes von Sachsen-Anhalt vor. In der Chronik Thietmars von Merseburg wurde Cölbigk 1015 zum ersten Mal erwähnt. 1036 ist es als Marktort genannt und hatte damit regionale Bedeutung. Aber eine Entwicklung zur Stadt blieb aus. »Um 1500 war Cölbigk eine Wüstung mit einem heruntergekommen Kloster«, so Falke. Die »Tanzwunder«-Legende knüpfe an die frühe Bedeutung des Ortes an: einen Kult um den Märtyrer und Heiligen Magnus, der im 7. oder 8. Jahrhundert als Missionar in die Gegend gekommen sein soll, eine frühe Kirche und die Klostergründung etwa 1024. Dafür, dass Cölbigk Wallfahrtsort gewesen sein soll, finde sich keine Quelle. Nur die archäologische Forschung könne Fragen zur frühen Ortsgeschichte beantworten helfen.
Der Mittelalterhistoriker und Sprachwissenschaftler Ernst Erich Metzner (Rüsselsheim) betonte, dass die ältesten Überlieferungen des Tanzes von Cölbigk keine Sagen seien, sondern drei gleichwertige lateinische Berichte vom Ende des 11. Jahrhunderts. Zwei davon beruhten auf so genannten Bettelausweisen aus klerikalem Umfeld, wie sie damals ausgestellt wurden, um echte Bedürftige von Simulanten unterscheiden zu können. Das »Tanzen« könne die Folge einer Vergiftung gewesen sein, die mehrere Tage anhielt und bei den Überlebenden dauerhaftes Zittern zur Folge gehabt hatte.
»Wir können nicht sagen, was in Cölbigk wirklich passiert ist«, so der Mittelalterhistoriker Gregor Rohmann (Frankfurt am Main). »Aber wir können etwas über die Hintergründe sagen.« Die drei oben genannten Quellen seien zwar im Raum Köln geschrieben worden, würden sich aber auf ein Ereignis bei Bernburg beziehen. Zudem würden sie Anspielungen auf zeitgenössische kirchliche Probleme enthalten. Einer der Schreiber, Goscelin von Saint-
Bertin, erwähnt sogar, einen der Überlebenden noch selber getroffen zu haben. Goscelin stelle in seinem Text Gottes Güte in den Mittelpunkt, der die meisten Tänzer habe überleben lassen. Er zeige aber auch, dass die Abkehr von der Kirche ins Verderben führe. So wird bei Goscelin die oben erwähnte Schwester des Kirchners zur Tochter des Priesters, die nach dem Tanz stirbt. Der Priester steht als Sünder da, weil er nicht im Zölibat lebt: eine im 11. Jahrhundert besonders heftig diskutierte Frage.
Zur Warnlegende sei die Geschichte vom »Tanzwunder« im 13. Jahrhundert geworden und durch den Dominikaner Vinzenz von Beauvais in die Exempel-Sammlung des Dominikanerordens gelangt. Mittels Predigten sei sie unters Volk gekommen und weit verbreitet worden. »Wir wissen nicht, was in Cölbigk passierte«, so Rohmann. »Das ist unbefriedigend – auch für das Marketing.«
Die Volkskundlerin Annette Schneider-Reinhardt verwies darauf, dass die Nikolaus-Verehrung im 11. und 12. Jahrhundert in Deutschland ihren Höhenpunkt erreicht habe. Knecht Ruprecht als Diener des Heiligen und Kinderschreck taucht erst ab dem 13. Jahrhundert auf. Auch in Mitteldeutschland habe es verschiedene Bräuche rund um Nikolaus und Knecht Ruprecht gegeben. Für Cölbigk sei der »Umgang eines finsteren Gesellen, der strafte oder belohnte«, belegt. Nach 1945 verlor Knecht Ruprecht an Bekanntheit. Die Weihnachtsmann-Tradition überwiege. »Dazu«, so Annette Schneider-Reinhardt, »trugen wohl auch die veränderten Auffassungen in der Kindererziehung bei.«

Gedenkstein: An dieser Stelle befand sich das Kloster Cölbigk, das bis 1024 gegründet wurde. Das »Tanzwunder« soll sich in den Jahren 1020 oder 1021 abgespielt haben. | Foto: Engelbert Pülicher
Knecht Ruprecht oder Abt Rupert? Das ist hier die Frage. Die einstige Cölbigker Kirchturmspitze steht heute an der Kirche im Nachbardorf Ilberstedt. | Foto: Arne Tesdorff
Autor:

Kirchenzeitungsredaktion Evangelische Landeskirche Anhalts

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