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Auf Dauer nicht mehr allein

Andreas Schindler | Foto: Stiftung

Die Kanzler von Pfau’sche Stiftung in Bernburg feiert am 9. April ihr 150-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass sprach Angela Stoye mit dem Direktor der diakonischen Einrichtung, Andreas Schindler.

Herr Schindler, wenn Sie in die Chronik schauen und auf Ihre 25 Jahre an der Spitze der Stiftung: Welche schönen und welche schwierigen Phasen gab es?
Schindler: Über 100 Jahre arbeiteten Diakonissen hier. Ich habe ihr Wirken zwar nicht erlebt, vermute aber, dass dies eine Zeit der Klarheit war, in der aus dem Glauben heraus für Menschen gearbeitet wurde. Dies wirkt heute noch nach, muss aber unsere Prägung erhalten. Das ist eine reizvolle Aufgabe. In den zweieinhalb Jahrzehnten, die ich hier bin, habe ich mich gefreut zu sehen, wie die Stiftung wuchs, wie andere Einrichtungen und Dienste hinzukamen. Schön war es zu erleben, wie wir von hilfesuchenden Menschen angenommen wurden.
Ich erinnere mich aber deutlich daran, dass der Prozess der Erweiterung und Veränderung von Unruhe geprägt war, zum Beispiel, wenn die Bezahlung von Rechnungen anstand und der Kontostand keine entsprechende Deckung versprach. Ich bin mir aber sicher, dass auch meine Vorgänger so etwas kannten, denn auch sie gingen in ihrer Zeit Risiken ein, um etwas voranzubringen.
Eine schwierige Phase waren sicher die 1950er-Jahre, als der Staat die Frage stellte, ob wir überhaupt eine kirchliche Einrichtung sind. Wenn diese rein politische Machtfrage nicht mit Hilfe des anhaltischen Landeskirchenrates positiv in unserem Sinne geklärt worden wäre, hätte unsere Stiftung kaum eine Zukunft gehabt.

Wie steht es um das Leitbild der Stiftung?
Schindler:
Unser Leitbild ist über zehn Jahre alt. Es ist mit Unterstützung des damaligen Landesdiakoniepfarrers Andreas Lischke in einem sehr guten gemeinsamen und offenen Prozess entstanden. Nun sollte es wieder auf den Prüfstand. In der Auseinandersetzung mit dem Text mussten wir feststellen, dass der Bekanntheitsgrad des Leitbildes unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung – trotz der immer wiederkehrenden Thematisierung – leider sehr gering geworden ist. Ein Grund ist sicher der deutlich steigende Anteil der Mitarbeiter, der keine christliche Prägung hat. Diese Gruppe muss zukünftig deutlicher angesprochen werden.
Deshalb haben wir 2016 den Prozess der Überprüfung des Leitbildes gestoppt und bereiten gerade einen neuen »Anlauf« vor. Inzwischen haben wir auch einen Leitspruch für unsere Stiftung: »Christus spricht: Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe.« (Johannes 13,15) Dieser bildet nun den Ausgangspunkt für das neue Leitbild.

Was gehört heute zum Profil der Kanzlerstiftung?
Schindler:
Ich erwähnte oben die Auseinandersetzung aus den 1950er-Jahren über die Frage, ob die Kanzlerstiftung überhaupt eine kirchliche Stiftung ist. Diese Frage wurde nach 1990 erneut gestellt. Diesmal ging es aber nicht um Macht, sondern um rein juristische Themen, mit denen wir uns auseinanderzusetzen hatten. Wieder konnten wir mit Hilfe des anhaltischen Landeskirchenrates nachweisen, dass wir eine kirchliche Stiftung sind und unsere Satzung entsprechend anpassen.
Diese Auseinandersetzungen haben sich »eingebrannt«. So sind wir nach unserem Selbstverständnis eine Altenhilfeeinrichtung mit einem kirchlichen Profil. Die Verbundenheit mit den Kirchengemeinden ist groß und wird gelebt. Mitarbeiter der Stiftung sind in kirchliche Strukturen eingebunden. Die Zuwendung zum Nächsten gehört natürlich zu uns, aber auch das regelmäßige Hören auf Gottes Wort. Ebenso suchen wir das Miteinander mit anderen diakonischen Einrichtungen in unserer Region.

Zu den Veränderungen in jüngster Zeit gehörte die Aufgabe der Trägerschaft der Frauen- und Kinderschutzhäuser in Bernburg und Köthen. Warum?
Schindler:
Diese Arbeit hat die Stiftung durch schwierige Zeiten getragen. Allerdings wuchs in der Zeit die Erkenntnis, dass sich dieser Arbeitsbereich kaum mit den Altenhilfeangeboten der Stiftung vernetzen ließ. Es gab keine Synergien. Die Anforderungen standen zunehmend für sich. So hat sich die Stiftung – ohne wirtschaftliche Not – entschlossen, die beiden Häuser an einen Träger abzugeben, der eine größere Anzahl von Frauen- und Kinderschutzhäusern betreibt. Das war schmerzhaft, aber richtig, denn beide Häuser existieren heute weiter.

Wo sehen Sie die Stiftung in 50 Jahren?
Schindler:
Meine Phantasie reicht leider nicht aus, um auch nur zu ahnen, was am 200. Geburtstag unserer Stiftung am 9. April 2067 Realität sein wird. Also beschränke ich mich auf die nächsten zehn Jahre. Ich denke, dass die Stiftung in einem immer größeren Umfang gleichberechtigt mit anderen Anbietern kooperieren und gemeinsam Aufgaben lösen wird. Die Herausforderung, die sich aus einer immer stärker werdenden Spezialisierung und dem wachsenden Kostendruck ergeben, kann die Stiftung auf Dauer nicht mehr allein erfüllen. Auch kirchliche Stiftungen und Einrichtungen müssen sich auf dem sozialen Markt durchsetzen können. Dazu braucht es Kraft, die wir hoffentlich im Verbund mit anderen und mit Hilfe der Diakonie Mitteldeutschland erreichen können.
Vielleicht gibt es in einigen Jahren die Kanzler von Pfau’sche Stiftung noch als Einrichtung, die mit anderen soziale Arbeit gemeinsam betreibt. Die konkrete Hilfe läuft in einer eigenen Rechtsform, die im Verbund mit anderen Trägern gehalten wird. Die Kanzler von Pfau’sche Stiftung ist dann zum einen Mitträger dieser Arbeit und zum anderen eine Einrichtung, die gemeinsam mit Kirchengemeinden eine sehr eigene Form diakonischer Arbeit entwickelt und betreibt. In Letzterem könnte viel Zukunft für uns als kirchliche Stiftung liegen.

Autor:

Online-Redaktion

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