Anhalt
Kandidaten stellen sich vor
Die Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts ist am Freitag zu ihrer zweitägigen Sondersitzung zusammengekommen, um einen Nachfolger für Kirchenpräsident Joachim Liebig zu wählen. In Vorträgen haben sich die beiden Kandidaten Birgit Neumann-Becker und Georg Neugebauer erstmals den Synodalen und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Von Katja Schmidtke
Der 1974 in Schönebeck geborene Georg Neugebauer blickt auf eine wissenschaftliche Laufbahn zurück, er wurde promoviert und habilitierte 2015. Parallel war Neugebauer zehn Jahre lang Pfarrer im Ehrenamt. Seit 2019 ist er Pfarrer in Aken an der Elbe. In einem analytischen und dichten Vortrag widmete er sich den Herausforderungen der mitteldeutschen Kirchen im säkularen Raum. „Das Leben der christlichen Gemeinden war nie ein Ponyhof, es ist Normalzustand des kirchlichen Lebens herausgefordert zu sein“, sagte Neugebauer.
Zu den Herausforderungen zählt für den Theologen die religiöse Beheimatung der Kirchenmitglieder in einer Minderheitensituation. In einem säkularen Umfeld kommen religiöse Erfahrungen immer weniger zum Tragen, Kinder wachsen religiös unmusikalisch auf, Glaube und Frömmigkeit sind die Ausnahmen, sagte der Theologe. Es bleibe aber kein „frommer Rest“, denn auch durch die Gemeinden zögen sich Säkularisierung und Individualisierung. Es stelle sich also die Frage, wie sich unterschiedliche Menschen in „unseren Kirchen beheimatet fühlen“.
Als Herausforderung sieht der Pfarrer weiterhin die Kommunikation des Glaubens gegenüber Konfessionslosen. Eine zentrale Bedeutung komme dabei der pädagogischen Arbeit in den Gemeinden und in den Schulen zu. Die Lücken durch den Fachkräftemangel im Verkündigungsdienst könnten nicht durch Ehrenamtliche gestopft werden, gleichwohl bieten sie die Chance, Ehrenamtliche zu stärken. „Das Priestertum aller Gläubigen ist keine Floskel“, sagte Neugebauer. Als geistiges und geistliches Problem wertete er die Resignation, die wie ein Damoklesschwert über den Köpfen schwebe. „Sie ist natürlich ernst zu nehmen, wo immer sie sich zeigt, wenn Dämonen zu uns sprechen, die Angst und Sorgen schüren und von unserem Gottesglauben ablenken“. Der 1. Petrusbrief, auf den sich Neugebauers Vortrag stützte, könne hier Orientierung geben: den Fokus auf das Unvergängliche zu setzen. „Was wir tun, ist kein Selbstzweck.“
Die 1963 in Görlitz geborene Birgit Neumann-Becker war sieben Jahre lang als Gemeinde- und drei Jahre als Schulpfarrerin tätig. Sie arbeitet außerdem in der Evangelischen Erwachsenenbildung und im Gemeindekolleg: Ehrenamt und Offene Kirchen waren ihre Schwerpunkte. Seit zehn Jahren ist sie Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Das Aufwachsen in der damaligen Görlitzer Landeskirche prägte sie: Erfahrungen einer kleinen Landeskirche und als Christin in der DDR bringt sie mit.
Die Frage nach der Zukunft der anhaltischen Landeskirche sehe sie gesichert, solange die Struktur den Aufgaben folge und das kirchliche und gemeindliche Leben mehr als ein Überleben sei. Es sei wichtig, die Menschen einzuladen. „Wir können gar nicht anders als missionarische Kirche zu sein“, sagte Neumann-Becker. Die Kirche habe in der Öffentlichkeit zudem etwas zu sagen zu Themen wie Kinderarmut, sozialer Gerechtigkeit, Klimawandel und Krieg und Frieden, ohne dabei partei- oder tagespolitisch zu sein.
Den Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betonte Neumann-Becker. Haupt- und Ehrenamtliche dürften sich nicht selbst überfordern oder vereinsamen. „Es gilt das Prinzip Sorgfalt. Auch Seelsorger brauchen Seelsorge.“ Sie stehe für eine partizipative Leitung. „Strukturen folgen dem Auftrag. Wir müssen immer wieder reflektieren, welche Aufgaben getan werden müssen und welche nicht.“
Im Anschluss an ihre Vorträge beantworteten die Kandidaten Fragen der Synodalen: zur Zukunft der Landeskirche, zu Mission und Diakonie, zu ihren Visionen für die Landeskirche und auch zu ihren Lieblingschorälen.
In seiner Eröffnungsrede hatte Synodenpräses Christian Preissner vor allem das selbstlose Dienen in den Fokus gerückt. Sich selbst zurückzunehmen und anderen zu dienen, sei „Kernaufgabe als Christ in der Nachfolge Jesu Christi“. Sie gelte für alle Kirchenglieder sowie der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden: als Mitglied des Gemeindekirchenrats, der Kreis- oder der Landessynode, als Gemeindepädagoginnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen, Kirchenmusiker, Pfarrer, als Verantwortliche für den Blumenschmuck, als Chormitglied – und wohl in besonderem Maße als Kirchenpräsidentin oder als Kirchenpräsident.
Kirchenpräsident Joachim Liebig wird nach mehr als zwei Amtszeiten am 1. März 2024 in den Ruhestand treten. Die Evangelische Landeskirche Anhalts hat nach eigenen Angaben derzeit 26.250 Mitglieder. Sie ist die kleinste der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland.
Autor:Katja Schmidtke |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.