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DDR-KIRCHENVERLUSTE # 55
Die verlorene Jakobuskirche zu Dessau

Jakobuskirche Dessau vor dem Ersten Weltkrieg | Foto: Gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117334173
  • Jakobuskirche Dessau vor dem Ersten Weltkrieg
  • Foto: Gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117334173
  • hochgeladen von Holger Zürch

In der DDR wurden bis 1988 rund 60 Kirchen auf staatlichen Druck gesprengt. Die wohl bekannteste von ihnen war die Paulinerkirche Leipzig – auch Universitätskirche St. Pauli genannt – im Jahr 1968. Die Serie erinnert an verlorene Sakralbauten in Mitteldeutschland und darüber hinaus.

Die Jakobuskirche war die evangelische Kirche in der südlichen Innenstadt im Stadtteil Dessau im heutigen Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt. 1908 eingeweiht, wurde sie 1945 beschädigt und am 17. Mai 1977 auf DDR-staatlichen Druck gesprengt.

Geschichte
Die Kirchgemeinde wurde 1905 gegründet und war anfangs in der Marienschule Dessau zu Hause. Die Kirche entstand zwischen 1906 und 1908 in der Törtener Straße, Ecke Schützenstraße. Die Einweihung war am 22. Februar 1908.

Baumeister des Gotteshauses war der Herzogliche Regierungs- und Baurat Gustav Teichmüller (1862–1919). Er hatte die Baupläne der Jakobuskirche im Stil der Neoromanik (Rundbogenstil) als funktionales Ensemble entworfen. Es umfasste sowohl Gottesdienstraum als auch Gemeindezentrum und hatte 900 Sitzplätze.

1945 wurde die Jakobuskirche beim Luftangriff auf Dessau von Brandbomben getroffen. Der Gemeindesaal wurde in jahrelanger Arbeit wieder nutzbar gemacht und mit feierlicher Einweihung am 9. August 1964 wieder in Dienst genommen.

„Sprengung war Ausdruck kirchenfeindlicher SED-Politik“
Die Kirche diente Hunderten Dessauern regelmäßig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertraute, heimatliche Feierstätte für Taufe, Konfirmation und Trauung, für Silberne sowie Goldene Hochzeit und andere Jubiläen, für den Heimgang ihrer Verstorbenen. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Einkehr und Hoffnung, für Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid.

Wie anderswo mit dem gleichen Schicksal wünschten sich die Christen dort den Wiederaufbau ihrer Kirche.

Doch das blieb ein frommer Wunsch: Am 17. Mai 1977 wurden die Kirche, der Gemeindesaal und das dazugehörige Pfarrhaus auf Anweisung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gesprengt.

Zeit nach der Sprengung
Laut offizieller Mitteilung der damals SED-gelenkten Stadt Dessau wurde das Gotteshaus vernichtet, um Platz für DDR-Plattenbauten zu schaffen. Jedoch wurden diese nicht im angekündigten Umfang gebaut. Inzwischen wurde der Großteil der damals errichteten Mietshäuser abgerissen.

„Die Sprengung der Jakobuskirche war Ausdruck der kirchenfeindlichen Politik der SED, für die jede gesprengte Kirche einen Schritt auf dem Weg zum Sieg des Sozialismus bedeutete“, sagte im Jahr 2017 Dessaus Kreisoberpfarrerin Annegret Friedrich-Berenbruch.

Für die Kirchgemeinde entstand 1980 ein kleiner Ersatzbau: Jedoch durfte das Jakobus-Gemeindehaus an der Ecke Stenesche Straße und Turmstraße nicht mit Kirchenglocken ausgestattet werden.

Altar, Taufbecken, Stühle und Bleiglasfenster aus dem einstigen großen Gemeindesaal der Jakobuskirche fanden ihren Platz im Jakobus-Gemeindehaus.

Jüngere Vergangenheit
Seit 1999 bildeten die Jakobusgemeinde und die Paulusgemeinde gemeinsam die Evangelische Jakobus-Paulus-Gemeinde Dessau. Seit dem 1. Januar 2019 sind die Kirchengemeinde Jakobus-Paulus und die Kirchengemeinde St. Georg zur Evangelischen Stadtgemeinde an der Mulde Dessau vereint.

Das vom Bombenfeuer 1945 rußgeschwärzte Kruzifix der Jakobuskirche hängt im Gemeindehaus über dem Altar – als Mahnung und Erinnerung.

Koordinaten: 51° 49′ 14,1″ N, 12° 14′ 39,3″ O

https://de.wikipedia.org/wiki/Jakobuskirche_(Dessau)
(dort auch Verzeichnis der Autoren; Textnutzung entsprechend Creative Commons CC BY-SA 4.0)

Autor:

Holger Zürch

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