Eine Frage des Zeitgeistes?
Die Landessynode hat auf ihrer Frühjahrstagung in Alexisbad eine Verfassungsänderung zur geschlechtergerechten Sprache abgelehnt. In der Neuformulierung der Verfassung sollte
es beispielsweise »Pfarrerinnen und Pfarrer« und »Kirchenpräsidentin und Kirchenpräsident« heißen. Nur 23 der 33 Synodalen stimmten für den Entwurf. An dieser Stelle kommen Christine Reizig als Befürworterin und Eckhart Hundertmarck als Gegner geschlechtergerechter Sprache zu Wort.
Pro
Das war keine Sternstunde meiner Kirche! Die Landeskirche Anhalts war eine der ersten, die Frauen ordiniert hat. Ende der 1950er-Jahre war sie eine Vorreiterin der Gleichberechtigung und Gleichachtung der Frauen. Ist das vorbei?
In den Verfassungstexten des Landes und des Bundes ist es selbstverständliche Norm, Männer und Frauen gleichberechtigt zu benennen. Ich dachte, diese Gesetzesänderung wäre an der Zeit und selbstverständlich. Weit gefehlt! Der Rechts- und Verfassungsausschuss hatte sich viele Stunden mit der Anpassung befasst und sich um ein gutes und schönes Deutsch bemüht. In zwei Lesungen wurde weiter daran gefeilt.
Nach der Ablehnung gibt es in der Verfassung weiterhin ausschließlich Männer – den Pfarrer, den Ältesten, den Kirchenpräsidenten, den Oberkirchenrat. Und ein Gemeindekirchenrat ist eine brüderliche Leitung, auch wenn die Pfarrerin und – Gott sei Dank – viele Schwestern ihr Engagement einbringen.
Sprache bildet unser Denken ab! Insofern ist die grundsätzliche Ablehnung der Verfassungsänderung ein Affront gegen viele Frauen, die sich in dieser Kirche haupt-, neben- und ehrenamtlich engagieren.
Nach Genesis 1,27 f repräsentieren nur Mann und Frau gemeinsam das Ebenbild Gottes und sind auf ein Miteinander hin geschaffen. Ich empfinde den Beschluss als beschämend für die Synode. Immerhin gab es auch 23 Stimmen für die Änderung, also haben sich mindestens 18 männliche Synodale für eine sprachliche Gleichberechtigung ausgesprochen.
In diesem Jahr sind in Anhalt Gemeindekirchenrats-, danach Synodalwahlen. Liebe Schwestern, ich ermuntere Sie ausdrücklich: Kandidieren Sie und lassen Sie sich wählen! Ein höherer Frauenanteil in kirchenleitenden Gremien tut unserer Kirche not!
Kontra
Ein Verfassungstext sollte knapp, klar verständlich und eindeutig sein. Deshalb halte ich es für absolut unbefriedigend, wenn eine Änderung in »gerechte Sprache« nur dann inhaltlich dem gewünschten Ziel nahekommt, wenn sie zum Beispiel den Absatz eines Pararafen in folgender Form hervorbringt: »Kreisoberpfarrerinnen und Kreisoberpfarrer sind Beraterinnen und Seelsorgerinnen oder Berater und Seelsorger der Pfarrerinnen und Pfarrer und der anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter …«
Sprache entwickelt sich allmählich in einzelnen Begriffen (zum Beispiel Krankenschwester/Pfleger) oder auch Tendenzen (zum Beispiel Rückzug des Genitivs zugunsten des Dativs) und lässt sich nicht komplett querbeet im Ganzen durch Überstülpen eines Zeitgeistes erzwingen, dem ein Verfassungstext nicht nachlaufen sollte.
Der oben zitierte Absatz ist wenigstens sprachlich korrekt, wenn auch holprig. Für eine vertiefte Befassung mit der fortschreitenden Erfindung geschlechtsneutraler Zeichen mit – */…in,innen als schlichte Fortentwicklung dieses Zeitgeistes fehlt mir Zeit und Platz.
Nur kurz: Wehret den Anfängen, die Sprache wird so unsprechbar. Das gerne gebrachte Argument, Frauen fühlten sich von den bisherigen Texten nicht angenommen, wird meines Erachtens allein von der deutlich überwiegenden Anzahl weiblicher Gottesdienstbesucher und anderer kirchlicher Gruppen widerlegt.
Auch der Hinweis, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sei bei diesem Thema schon viel weiter, überzeugt nicht, wenn man sich die Alternativen in gerechter Sprache in dem von dieser Kirche herausgegebenen Liederbuch »freiTöne« näher ansieht.
Nach alldem halte ich eine aufgepfropfte »geschlechtergerechte« Sprache in Kirche (und Gesellschaft) nicht für zielführend.
Autor:Online-Redaktion |
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