Neuer Zugang zur Schrift
In Zahna werden Lieblingstexte aus der Bibel in Terzinenform übertragen
Von Katja Schmidtke
Der Protestantismus ist eine Konfession, in der Schrift und Sprache eine besondere Rolle spielen – angefangen von Luthers Bibelübersetzung über die theologische Aussage »sola scriptura« bis hin zur reformatorischen Forderung nach Schulbildung. »Aber machen wir inzwischen nicht viel zu wenig Kult um unsere Gründungsurkunden?«, fragt Matthias Schollmeyer, Pfarrer in Zahna im Kirchenkreis Wittenberg.
Bibeln auf kostbarerem Papier, kalligrafisch ausgeschmückt und mit Illustrationen, sind heute eher in Antiquariaten oder in gut gepflegten privaten Bibliotheken zu finden. So wie im Pfarrbereich Zahna, wo ein Glücklicher im Besitz einer Bilderbibel aus dem 17. Jahrhundert ist, jeweils ein Bild und ein zweizeiliger Reim fassen eine Geschichte zusammen, schwärmt Pfarrer Schollmeyer. All diese Gedanken brachte die Gemeinde auf die Idee, sich der Heiligen Schrift im Jahr des Reformationsjubiläums neu zu nähern, mit und an ihr zu arbeiten und sie auch auf diese Weise lebendig zu halten.
»Wir übertragen die Bibel in Terzinen. Die Terzine ist eine besondere metrische Form mit einem interessanten Reimschema. Dante hat Terzinen für seine Göttliche Komödie verwendet«, erzählt der Pfarrer. Jeder, der neugierig und interessiert ist, kann mitmachen. Entweder, indem er Texte in die Versform überträgt oder indem er Texte einreicht und sie übertragen lässt. Dabei sind ausschließlich Lieblingstexte gefragt; Texte, die zu Herzen gehen, die die Menschen durch Schönes und Schweres begleiten, die sie lieb haben. »Lieb, das mag zunächst naiv und manchem infantil klingen. Tatsächlich bedeutet ›lieb‹ aber: in erster Linie nicht drohend, nicht strafend, keine derben Unglücksverheißungen, keine Verwerfungsfantasien. Gott ist als Liebe verstanden worden, sagt das Neue Testament. Darum geht es«, sagt Matthias Schollmeyer.
Die bislang eingereichten 48 Lieblingstexte zeugen auch von hoch gespanntem rein intellektuellem Interesse, Texte zur Schöpfungstheorie oder Etliches aus den Apokryphen ist darunter. Da geht es um die großen Fragen des Lebens. Was ist am Anfang, was sogar davor? Was ist das Böse und wie kann ich den Glauben dagegen verteidigen? Und natürlich sind viele Jesusgeschichten eingereicht worden.
Die einzelnen Geschichten werden in der Terzinenbibel nicht klassisch nach dem Alten oder Neuen Testament oder in einer zeitlich-historischen Reihenfolge geordnet, sondern mit einer Geschichte verwoben, die dem Turmbau zu Babel als Handlung folgt. Die Verbindung stiftet eine Frau. Es handelt sich um Marie Katharina Schall, eine Zeitgenossin Katharina von Boras aus Rahnsdorf bei Zahna. Rahnsdorf wurde 1528 von Luther visitiert und Melanchthon stellte Valentin Schall, dem Bruder Katharina Schalls, ein sehr gutes Zeugnis aus, wie man in den alten Visitationsakten lesen kann.
In den Texten der Terzinenbibel untersucht Katharina Schall mithilfe des Erzengels Raphael, dem Begleiter der Reisenden, warum der Turmbau zu Babel misslang. Stockwerk für Stockwerk geht es von oben nach unten, in jeder Etage wird eine Lieblingsgeschichte besungen. Am Fundament angekommen, wird der Turm nicht mehr Bild der gestörten Kommunikation zwischen den Bauenden und dem, den sie erreichen wollten – Gott – sein. »Eine Aktie an dieser Geschichte hat auch eine aktuelle Katharina«, sagt Pfarrer Schollmeyer und meint Katharina Körting, Reformationsbeauftragte im Kirchenkreis Wittenberg. Sie gab manch wichtigen Impuls für das Terzinenbibel-Projekt.Entstehen soll am Ende ein gedrucktes Buch aus Lieblingstexten und eigens in Auftrag gegebenen Bildern dazu. »Ein Buch, das man lieb haben kann«, sagt Pfarrer Schollmeyer.
Lieblingsgeschichten aus der Bibel können eingereicht werden per Mail unter
sanktmarienzahna@gmail.com
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