Stumme Instrumente sind ein Frevel
Anhalter Kreuz: Mehr als 60 Jahre engagierte sich Horst Köhn in der Posaunenarbeit
Von Danny Gitter
Eine Auszeichnung für etwas, was doch selbstverständlich ist, hätte es nicht unbedingt gebraucht«, sinniert Horst Köhn über das Anhalter Kreuz. Das Dankzeichen der Evangelischen Landeskirche Anhalts bekam der 83-Jährige im vergangenen November für seine Verdienste rund um die Posaunenarbeit verliehen. Für ihn schließt sich damit gewissermaßen ein Kreis. Denn nach über sechs Jahrzehnten hat er aus gesundheitlichen und aus Altersgründen im vorigen Jahr die Posaunenarbeit schweren Herzens aufgegeben. Sein Instrument gab Horst Köhn an einen jüngeren Mitstreiter im Dessauer Posaunenchor weiter. Denn stumme Instrumente sind für ihn ein Frevel. Sie sollen spielen und gespielt werden, wenn auch ohne ihn.
Was bleibt, sind Fotoalben, Urkunden und diverse Zeitungsartikel, die sich so im Laufe der Zeit über die Arbeit des Dessauer Posaunenchors angesammelt haben. Auf seinem Wohnzimmertisch liegen einige dieser gedruckten Zeitzeugen. Horst Köhn kann Geschichten erzählen und dabei die Zeit vergessen. Dabei schätzt sich der aufgeweckte Senior selbst nicht als Mann der großen Worte ein.
Seine Sprache war eher die Musik. Doch besonders musikalisch war er laut eigener Auskunft nie. »Wenn wir früher in der Schule im Chor singen mussten, dann hielt der Musiklehrer sein Ohr hin und sagte ›Köhn, du brummst‹», erinnert er sich noch genau. Als Arbeiterkind, geboren und aufgewachsen in der brandenburgischen Provinz, wollte er ein bisschen gegen den Staat rebellieren und als Diakon den Schwachen helfen. Doch war er mit 14, mit dem Schulabschluss in der Tasche, noch zu jung für eine Ausbildung. Also lernte der junge Köhn erst einmal Tischler. Danach konnte er sich seinen eigentlichen Berufswunsch endlich erfüllen.
Aber ohne eine musikalische Ausbildung kein Abschluss als Diakon und keine Zukunft in diesem Beruf. Im Martinshof in Rothenburg, wo er sich zum Diakon ausbilden ließ, probierte der eigentlich Unmusikalische verschiedene Blasinstrumente aus und blieb bei der Posaune hängen. Wenn jemand Zeit hatte, wurde mit ihm geübt. »Größtenteils habe ich mir das aber autodidaktisch beigebracht«, erinnert sich Horst Köhn. Lange arbeitete er in einem brandenburgischen Kinderheim. Wann immer es ging, griff Horst Köhn in der Freizeit zum Instrument.
Mit der Posaune die Stasi ausgetrickst
Unzählige Veranstaltungen begleiteten er und die anderen Blechbläser in den vergangenen Jahrzehnten im In- und Ausland. Manche Erinnerungen sind verblasst, andere dagegen sehr lebendig. Bei einem Posaunentag in Bautzen 1954 lud ein Pfarrer seinen Posaunenchor zu einem Geburtstagsständchen für die Gattin ein. Danach gab es auch Riesenapplaus aus dem Nachbargebäude, dem berüchtigten Stasigefängnis. Da konnte die Staatsmacht nichts machen. Das Erzählen über diese kleine Rebellion zaubert ihm noch heute ein Lächeln ins Gesicht.
1969 zog Horst Köhn nach Dessau, arbeitete fortan als Pfleger in der Anhaltischen Diakonissenanstalt und gründete hier einen Posaunenchor mit. Diesen leitet seit Jahrzehnten sein Sohn Andreas. Musik hat eben doch eine Heimat in der Familie Köhn gefunden, auch wenn sie behauptet, vom Opa über die Kinder bis hin zu den Enkeln nicht besonders musikalisch zu sein. Blechblasinstrumente spielen sie alle.
Es sind schöne Erinnerungen, die Horst Köhn bleiben. Denn das Posaunenspiel hat ihn nicht nur musikalisch bereichert. »Egal, ob in der Familie oder im Chor, immer hat man beim Musizieren diese starke Gemeinschaft gespürt«, erzählt er. Daher fällt ihm das Loslassen auch nach über einem Jahr noch schwer.
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