Popularmusik
Chorarbeit zu Coronazeiten
Seit zwei Jahren arbeiten die Popularmusiker*innen (Felix-Tillmann Groth und Anke Groth) im Kirchenkreis Egeln. Große Pläne wurden geschmiedet und Konzepte für die Arbeit in einer Region mit 128 Gemeinden entwickelt. Schon ein Jahr später hatte die COVID-19-Pandemie alles "über den Haufen geworfen". Was blieb waren viele Chorsänger*innen und Instrumentalist*innen, die sich nicht mehr treffen durften. Nachdem die erste Schockstarre überwunden und die Enttäuschung über ständig veränderte Regelungen groß genug waren, entwarfen die beiden ein alternatives Projekt: einen Onlinechor.
Dazu Felix-Tillmann Groth im Interview.
Was ist dieses district_e_choir?
Felix: Als Erstes muss ich erklären, was „district_e“ bedeutet. Weil das Wort Popularmusik so wenig griffig und verständlich ist (wie Rock-/Pop- oder Jazzmusik), haben wir uns einen komplett neuen Namen für unsere Projekte überlegt. „District“ steht für Kreis (Distrikt) und das „e“ für Egeln. „district_e_music“ ist also der Begriff, unter dem die popularmusikalische Arbeit im Kirchenkreis steht.
Aber zurück zum „choir“. Choir ist selbstredend das englische Wort für Chor.
Da wir uns mit unseren Chören nicht mehr treffen durften, haben wir ein dreiteiliges Onlinechor-Projekt gestartet, das nun den Namen district_e_choir trägt. „Nichts Neues“ könnten Sie nun berechtigter Weise einwenden. Aber extrem sinnvoll für einen Kirchenkreis dieses Ausmaßes.
Wie probt man, wenn man sich nicht treffen darf?
Felix: Es gibt zwei Möglichkeiten. Zuerst einmal habe ich Videos produziert und auf der Homepage des Kirchenkreises bereitgestellt, in dem der gesamte Ablauf beschrieben ist. Dazu Noten und Audiomaterial, mit dem jede/r selbstständig die einzelnen Stimmen einstudieren kann. „Schade nur, dass so wohl kaum ein Gemeinschaftsgefühl zustande kommt“ - könnten Sie sagen. Das habe ich mir auch gedacht. Also haben wir uns einem Mittel bedient, das sowieso alle zu bedienen lernen mussten: Zoom. Ich könnte jetzt lang und breit erklären, wie das funktionieren soll und wie sinnvoll das tatsächlich ist. Doch das schönste an den Proben waren die Gespräche über (zum Teil) 200 km Entfernung, kleine Andachten zum Lied und gegenseitige mutmachende Worte.
Was ist das besondere an district_e_choir?
Felix: Ich habe versucht alle „Ressourcen“ zu nutzen, die da sind. Denn auch die instrumentale Arbeit liegt/lag brach. Also habe ich Songs aus der mehr oder weniger aktuellen Lobpreisszene genommen und Arrangements geschrieben, in denen pro Lied eine Instrumentengruppe die Hauptrolle spielt. Blockflöten bei „Das Privileg zu sein“ von Samuel Harfst, Streichinstrumente bei „Truth be told“ von Matthew West und aktuell Saxophone in „Ein Wort“ von der Gruppe Urban Life Worship. Außerdem habe ich Wert auf einen - für alle - singbaren Chorsatz gelegt.
Wer macht mit und was ist die Zielgruppe?
Felix: Ich für meinen Teil konzentriere mich auf die Arbeit mit Jugendlichen und habe das Projekt auch als solches angelegt. Erstaunlicher Weise hat es sich aber von Anfang an zu einem generationenübergreifenden Chor entwickelt. Kinder lernen so ganz nebenbei die Stimmen der Eltern oder Großeltern mit, Familien motivieren sich gegenseitig und von einer Angst der Älteren vor technischen Herausforderungen ist wenig zu spüren. Das hat mich im Laufe der letzten Monate besonders beeindruckt und begeistert. Obwohl wir online arbeiten, ist die persönliche Ebene zu den Menschen der Gemeinden um mich herum intensiver und tiefer geworden. Es entstanden auch tolle Bekanntschaften mit Menschen aus Nachbargemeinden und unterschiedlichen Chören.
Was ist die größte Herausforderung in der Onlinearbeit mit SängerInnen?
Felix: Die häufigste Aussage ist: „Ich habe mir meine Aufnahme danach nochmal angehört und es klingt schrecklich ...“ Dazu müssen Sie wissen, dass alle SängerInnen sich Kopfhörer aufsetzen und dann zu der bereitgestellten Audiodatei in ihr Mobiltelefon singen. Das bedeutet, dass auf dem Video nachher nichts anderes zu hören ist, als die eigene Stimme. Erfahrungsgemäß leidet darunter die Intonation, weil man sich selbst nicht gut hört. Ich habe also viel Zeit damit verbracht, den SängerInnen Mut zuzusprechen und sie zu überreden, mir das Video trotzdem zu schicken.
Gibt es auch Dinge die nicht so toll an diesem Onlineformat sind?
Felix: Auf jeden Fall. Jede/r die/der schon eimal im Chor gesungen hat weiß, dass das Gefühl in einer Gruppe einen Klang zu entwickeln, dynamisch zu arbeiten und sich gegenseitig zu stützen unersetzlich schön ist. Diese Glücksgefühle fallen online weg, werden aber durch andere schöne Momente ersetzt. Es ist und bleibt die schönste Art Musik zu machen, wenn man es gemeinsam tut.
Was kommt nach district_e_choir?
Felix: Ich habe mich dafür entschieden, nach drei Onlinechor-Projekten einen Schlussstrich unter dem Format zu ziehen. Allerdings ist schon eine Jugendchorfreizeit 2022 in Planung, bei der die Arrangements mit Sicherheit ihren Platz finden werden. Des Weiteren habe ich im Gespräch mit unserem Kreisposaunenwart Carsten Miseler überlegt, welche musikalische Gruppen, außer den Chören, noch Aufmerksamkeit verdienen. Im Kirchenkreis gibt es eine gut vernetzte Posaunenchor-Arbeit mit vielen Jungbläsern. Also werden wir "district_e_brass" an den Start bringen. Was da passieren wird, wollen wir hier noch nicht verraten. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass Sie davon hören werden. In den Anfängen dachte ich noch, ich würde den Menschen in unserem Kirchenkreis mit diesem Projekt eher auf die Nerven gehen, als ihren Nerv zu treffen. Aber nachdem sich im zweiten Teil die Zahl der Mitwirkenden verdoppelt hatte und immer mehr dankbare Worte den Weg zu mir fanden wusste ich, dass es doch Sinn ergeben hat und gesegnet ist. Dieses Echo gibt mir neuen Mut und Kraft für meine Arbeit.
Vielen Dank für das Interview!
Felix: Gern und bleiben Sie schön musikalisch!
Liebe Leser*innen, wenn Sie sich selbst ein Bild von diesem Projekt machen wollen, dann können Sie gerne unter https://kirchenkreis-egeln.churchdesk.com/district_e alle Videos anschauen.
Autor:Annett Bohse-Sonntag |
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