Weihnachten ohne Pfarrer
Christvesper in Eigenregie: Beispiele aus Kirchenkreisen Egeln und Haldensleben-Wolmirstedt
Von Thorsten Keßler
Am Heiligabend wird es eng in der Kirchenbank. Versammeln sich an einem durchschnittlichen Sonntag bundesweit 800 000 Gläubige in den evangelischen Gottesdiensten, sind es am Heiligabend mehr als zehnmal so viele. Über 8,4 Millionen Menschen besuchen dann die fast 38 000 Gottesdienste, weist die Statistik der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für 2016 aus.
Des Statistikers Freud ist des Pfarrers Leid. Besonders, wenn der Pfarrbereich sechs, zwölf oder gar noch mehr Orte umfasst. Christvesper also ohne Pfarrerin oder Pfarrer? Was sich Gemeindeglieder in den größeren Städten nicht vorstellen können, ist auf dem Land gar nicht so selten. Dann wird schon Monate vorher darum gerungen, in welchen Kirchen Pfarrerin oder Pfarrer am Heiligabend zugegen sind und wo Ruheständler, Prädikanten oder Jugendmitarbeiter die Christvesper halten oder Gemeinden sogar ganz auf sich gestellt sind.
Rechtzeitig vor der heißen Phase hatte deshalb der Kirchenkreis Egeln eingeladen nach Oschersleben zum Lektorenkonvent »Heilig Abend ohne Pfarrer« mit dem Pfarrehepaar Mücksch, das die Situation aus eigener Erfahrung kennt. Beate Mücksch hat fünf Gemeinden, Peter Mücksch neun und gemeinsam haben sie einen großen Fundus an Predigten und Krippenspielen gesammelt, die sie den Lektoren vorstellten.
Kreative Krippenspiele
Egal, ob mit oder ohne Pfarrer: »Zur Christvesper gehört ein Krippenspiel«, betont Beate Mücksch. »Und das sollte auch die klassische, biblische Geschichte erzählen. Wenn Menschen nur einmal im Jahr in die Christvesper kommen, dann sollen sie auch die Weihnachtsbotschaft mitnehmen!« Am schönsten sei ein richtiges Krippenspiel, aber was tun, wenn keine oder zu wenig Kinder da sind? »Dann muss man kreativ sein«, erklärt Beate Mücksch und stellt die Weihnachtsgeschichte mit Puppen dar. »Alternativ gehen Kerzen in unterschiedlichen Farben. Man kann Bilder betrachten oder die Weihnachtsgeschichte einbetten in eine Rahmenhandlung, für die nur ein oder zwei Darsteller benötigt werden«, sagt Beate Mücksch.
Im benachbarten Kirchenkreis Haldensleben-Wolmirstedt hat Pfarrerin Esther Spenn aus Behnsdorf neben den vier Christvespern in ihren fünf Gemeinden zwei Vertretungen im Pfarrbereich Rätzlingen. Esther Spenn hat dafür Unterstützung: »Mein lieber Ehemann arbeitet zur Zeit zwar nicht als Pfarrer, ist aber am Heiligabend mit unterwegs: ich drei Gottesdienste und er drei.« Außerdem ist Pfarrerin Spenn für die Lektorenausbildung im Kirchenkreis mit zuständig. Drei Gottesdienste habe der Arbeitskreis vorbereitet und den Lektoren zur Verfügung gestellt. »So haben die Gemeinden, in denen kein Pfarrer ist, einen kompletten Gottesdienst mit Liedern und Texten und können praktisch in Eigenregie feiern.«
Zurück nach Oschersleben zum Lektorenkonvent: Nachdem Beate und Peter Mücksch Krippenspielformen und – ganz wichtig – eine Checkliste für die Vorbereitung vorgestellt haben, fällt die Bilanz der Teilnehmer positiv aus. Für Margarethe Strübing aus Aken waren es »die ganz praktischen Dinge« und Hans Stegmann aus Aschersleben findet die »Checkliste mit allem, was dazu gehört« richtig gut. »Es arbeitet schon«, sagt Sabine Lösel aus Tarthun, bei der die ersten Ideen für Heiligabend keimen. Ob mit oder ohne Pfarrerin oder Pfarrer: Im Kirchenkreis Egeln wird Heiligabend wohl niemand vor verschlossenen Kirchentüren stehen.
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