Ausstellung zum Entjudungsinstitut
Es wird dunkel
Die neue Sonderausstellung des Eisenacher Lutherhauses beleuchtet das "Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben".
Von Mirjam Petermann
Die Dunkelheit dieses wenig rühmlichen Kapitels evangelischer Kirchengeschichte wird in der Ausstellung praktisch erlebbar: Schwarze Wände und neongelbe Schautafeln, keine direkte Beleuchtung, nur aus dem Hintergrund werden die Schaukästen beleuchtet. Doch das bedrückende Gefühl kommt weniger von der Umgebung als von dem, was in der Schau zu sehen und zu lesen ist. Immer wieder kommt der Gedanke: "Das darf doch alles nicht wahr gewesen sein."
Im Mai 1939 wurde auf Initiative der Deutschen Christen ein Institut gegründet, dass alles Jüdische aus dem christlichen Glauben und Alltag entfernen sollte. Es arbeitete einerseits wissenschaftlich, beispielsweise an einem "entjudeten" Neues Testament und wirkte anderseits auch öffentlich mit Vorträgen und Veranstaltungen, etwa in die Pfarrerschaft.
Dass sich die Gründung in diesem Jahr zum achtzigsten Mal jährt, ist für Jochen Birkenmeier, Kurator und wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Lutherhaus, nur ein Grund, warum die Sonderausstellung im Erdgeschoss des Lutherhauses an diesem Donnerstag eröffnet wird: "In einer Zeit, in der völkisches Denken und Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch sind, ist es heute wichtig, daran zu erinnern, dass die giftige Mischung aus Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Nationalismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schon einmal furchtbare Folgen hatte". Und dass auch die christlichen Kirchen vor radikalen Ideologien nicht gefeit seien, fügt er an.
Wie es überhaupt zur Idee eines Entjudungsinstituts kommen konnte, ist Inhalt des ersten Teils der Ausstellung, in dem die Geschichte des Antijudaismus seit dem Mittelalter und das Verhältnis von Christentum und Nationalsozialismus im Allgemeinen dargestellt werden. Daran schließt sich ein Exkurs zum Institut und dessen Sicht auf Martin Luther an.
Zentral im Ausstellungsraum steht eine Rotunde, die in ihrem Innenkreis die Arbeit des Instituts beleuchtet. Außenherum und an der dem Eingang gegenüberliegenden Seite werden die unmittelbaren Einflüsse auf das Institut, wie etwa die politischen Ereignisse, und auch die Wirkung des Instituts auf das christliche und gesellschaftliche Leben ausgeführt. Stellvertretend für den Umgang mit den Juden in der NS-Zeit zeigt die Ausstellung das Schicksal der Eisenacher Juden, bevor sie sich im letzten Teil der Aufarbeitung und dem christlich-jüdischen Dialog widmet.
„Man kann in 30 Minuten durch die Ausstellung gehen oder sich hier mehrere Stunden aufhalten“, sagt Jochen Birkenmeier. Vertiefungen ermöglichen vor allem die digitalen Medienstationen mit ausführlichen Zusatzinformationen, aber auch die umfangreichen bibliografischen Angaben für eine Recherche außerhalb der Ausstellungsräume.
Dass die Besucher mit der Frage „Wie war es eigentlich in unserer Gemeinde?“ die Ausstellung verlassen, das wünscht sich Jochen Birkenmeier. Dass der Besuch den Anstoß für die Aufarbeitung in den Gemeinden gibt, die bisher oft ausblieb. Für eigene Nachforschungen wurde deshalb eine gute Ausgangsbasis gelegt, beispielsweise auch damit, dass die Namen aller an der Arbeit des Instituts Beteiligter einzusehen sind.
Doch: „Im Fokus dieser Ausstellungen stehen keine Einzelpersonen", so Birkenmeier. "Wir wollen zeigen, wie das Institut organisiert war und wie dort gearbeitet wurde.“ Prinzipiell richte sich die Schau an alle, nicht nur an Kirchenmitglieder. Sie sei aber für kirchliche Mitarbeiter, speziell auch aus dem Erziehungs- und Bildungsbereich, besonders interessant, ebenso wie für Vikare und Gemeindegruppen.
Die Ausstellung ist kompakt, keineswegs vollständig. Und sie ist vor allem eins: längst überfällig. Damit dieses Stück Kirchengeschichte heraus aus dem Dunkeln ins Licht der Öffentlichkeit gelangt, nicht nur der kirchlichen.
Die Sonderausstellung ist täglich von 10 bis 17 Uhr zu besichtigen.
Autor:Mirjam Petermann |
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