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Das schönste Wort der Welt

Foto: Foto: sawitreelyaon – stock.adobe.com

Ostern schafft neue Realitäten. Was das für die Menschheit konkret bedeutet, macht auf besondere Weise ein kleines Wort deutlich.

Von Michael Trowitzsch

Manchmal denke ich, das ist das schönste Wort der Welt. Das kleine, unscheinbare Wörtchen „auch“. Kein Hauptwort, kein Verb, nicht einmal ein anschauliches Adjektiv. Ich nehme einmal an, es gibt das Wort in allen Sprachen der Welt. Etwas wird zusammengeschlossen mit dem Wort „auch“. Unendlich viele Möglichkeiten gibt es dabei. Oder – es kann sein, dass „ich“ gemeint bin oder „wir“. „Ich – auch.“ „Wir – auch.“ Aber das schönste Wort der Welt? Mehr geht nicht? Warum? Etwas Unfassbares? Aber warum? Wegen Ostern. Ostern lässt das kleine, unscheinbare Wörtlein leuchten. Ein abruptes Hereinstürzen, ein Lichteinfall, eine Aura von außen her. Zuerst das Allerwichtigste – und dann ein wunderbares „Auch“.

Das Allerwichtigste zuerst. An der Stätte der Gebeine und Totenköpfe ist er elend gekreuzigt worden. Das Ende? Nein, das war nicht das Ende. Der allmächtige Gott lässt sich nicht aufhalten, schreitet voran und rückt vor. Und wie? Was sagt der Prophet des Alten Testaments? Er weiß es irgendwie im voraus. Gott geht „mit diesem Volk wunderlich um, aufs Wunderlichste und Seltsamste“ (Jesaja 29, Vers 14). Absonderlich und verstörend und unfassbar: Der gekreuzigte Christus ist von den Toten auferstanden. „Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Nicht symbolisch, sondern real. Nicht bildlich, sondern wirklich. Nicht als Veranschaulichung eines Wertes oder eines Gedankens oder einer Idee, sondern leiblich, sichtbar, hörbar, greifbar.

„Der Augenblick des Kristalls“ (Gottfried Benn): Er erscheint den Jüngern. Er spricht. Was sagt er? „Ich lebe““, sagt er triumphal. „Ich lebe. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes. (Offenbarung 1, Verse 17f) Ich lebe …“ Und „sein Angesicht leuchtet wie die Sonne scheint in ihrer Macht“ (1, Vers 16). Ein verklärter Leib (Matthäus 17, Vers 2). Doxa, Herrlichkeit, wunderbarer allemal als man denken kann. Der Auferstandene: Mensch und Gott, der tatsächlich alles Wunderbare auf sich vereinigt. Und dann, seltsam, dann ist es, als ob eine ungeheure Pause einträte. Als ob tief geatmet würde. Nein, der Satz ist noch nicht zu Ende. Kann das denn sein? Etwas fehlt. Eine große Erwartung, eine Spannung. Folgt noch etwas? Was?
Ostern 2022. Jetzt das kleine Wörtlein! Jetzt das große, das gewaltige „Auch“. Der Auferstandene fährt fort. „Ich lebe – und ihr sollt auch leben!“

Wir – auch! Das kleine, schlichte Partikelchen. Ja, das ist das schönste Wort der Welt. Das Flüstern der Ewigkeit. Ostern lässt das unscheinbare Wörtlein leuchten. Ein abruptes Hereinstürzen, ein Lichteinfall, eine Aura von außen her. Er, der Liebevolle, will uns bei sich haben. Eine maßlose Liebeserklärung. Was es sonst auf der Welt nicht gibt: die Fremdheit rückhaltloser Bejahung.

„Ihr sollt auch leben!“ Ostern 2022. Leben? „Ewiges Leben“? Darf man, wenn man sich „als Christ“ dem „modernen Bewusstsein“ verpflichtet zeigen will, über das ewige Leben gar nichts sagen? Doch. Sind – weil in der Hohen Moderne längst zerschossen – alle genauen Vorstellungen unerlaubt? Schwerer Schleier des Nichtwissens? Nein. Wie häufig hört man das: „Man darf sich das nicht vorstellen!“ Warum? Ich fürchte, weil wir den biblischen Texten denn doch nicht trauen und es besser zu wissen meinen.

„Ewiges Leben“ – im Neuen Testament wird es unbefangen vorgestellt. Beispiele: Christus, „wird unsern nichtigen Leib verklären, dass er gleich werde seinem verklärten Leibe“ (Philipper 3, Vers 21). „Wir werden sehen von Angesicht zu Angesicht“, wenn „kommen wird das Vollkommene“ (1. Korinther 13,12.10). „Sie werden kommen vom Osten und vom Westen, vom Norden und vom Süden und mit Abraham und Isaak und Jakob zu Tische sitzen im Himmelreich“ (Lukas 13, Verse 28.29). „Vor seinem Angesicht erfüllt mit Freuden“ (Apostelgeschichte 2, Vers 28; 3, Vers 20). Wieder wird das Herrenmahl gefeiert (Matthäus 26, Vers 29). Und dort (man hält den Atem an): Christus selbst wird sich eine Sklavenschürze umbinden und uns dienen (Lukas 12, Vers 37). Er uns. Schließlich: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein“ (Offenbarung 21, Vers 4). Alles nicht vorstellbar? Alles gut vorstellbar.

Der Autor ist emeritierter Professor und predigte am Ostersonntag um 10 Uhr im Rundfunkgottesdienst aus Eisenach auf MDR Kultur.

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