Kirche macht Schule
Erprobungsräume der EKM: Martin-Luther-Grundschule Hettstedt ist Schulgemeinde auf Zeit
Von Thorsten Keßler
Die »Erprobungsräume« der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland sind ein kirchliches Versuchslabor. Bei dem bis 2021 laufenden und mit 7,5 Millionen Euro geförderten Projekt können andere Formen kirchlicher Arbeit ausprobiert werden. Gemeindearbeit ist nicht unbedingt an die Kirchengemeinde gebunden. Einer der 13 Erprobungsräume ist die Evangelische Schulgemeinde Hettstedt.
»Eine Schulgemeinde auf Zeit«, so beschreibt Schulleiterin Kerstin Müller das Projekt. »Das kirchliche Leben von Kindern, Eltern und Mitarbeitern spielt sich an unserer Schule ab. Bei uns erleben sie christliche Gemeinde in vielen Formen.« In der Praxis heißt das: Die Unterrichtswoche beginnt am Montag mit einer gemeinsamen Andacht und endet am Freitag für alle mit einem Wochenabschluss. Von der 1. bis zur 4. Klasse bekommen die Schülerinnen und Schüler außerdem Taufunterricht, wobei in jeder Jahrgangsstufe ein anderes Thema behandelt wird.
Der erste Impuls dafür kam vor einigen Jahren von einer Mutter, die im Schulleben das erlebte, was Kirche und Gemeinde für sie bedeutet. Deshalb wollte sie ihr Kind in der Schule taufen lassen. Mitwirkende aus dem Kirchenkreis Eisleben-Sömmerda entwickelten das Projekt mit. Bis heute ist der Höhepunkt ein gemeinsam gestalteter Taufgottesdienst zu Pfingsten in der Novalis-Kirche in Wiederstedt.
Die Herausforderung des Hettstedter Erprobungsraumes ist es, innerhalb der Schule Gemeindestrukturen aufzubauen. Die Schüler der Martin-Luther-Grundschule kommen aus einem Umkreis von 20 Kilometern um Hettstedt. Nur etwa die Hälfte ist getauft und gehört in ihren Heimatorten der Kirchengemeinde an.
Als Teil des Erprobungsraums finanzieren die EKM und der Kirchenkreis Eisleben-Sömmerda auch eine Schulpfarrerin für den Religionsunterricht oder die Kantorin, die einmal pro Woche mit den Kindern ein Musical eingeübt hat. Die Capoeira-Gruppe nach dem Unterricht mit »Escola Popular« aus Weimar gehört ebenfalls zum Erprobungsraum.
»Ohne die Mittel für die Erprobungsräume wären solche Projekte nicht umsetzbar«, betont Schulleiterin Kerstin Müller. »Die Unterstützung über den Zeitraum von fünf Jahren ist beruhigend. Dafür sind wir sehr dankbar.« Planungssicherheit bietet auch Raum für Visionen. So möchte Kerstin Müller an der Martin-Luther-Grundschule künftig einen Raum der Begegnung für Eltern und Familien einrichten, einen Gemeinderaum für Gespräche und Veranstaltungen.
Die Ortsgemeinden bleiben aber nicht außen vor. Die Schulgemeinde »tritt in positive Wechselwirkung mit den umliegenden Ortsgemeinden«, heißt es dazu in der Projektbeschreibung. So sind die Pfarrerinnen oder Pfarrer aus den Heimatgemeinden selbstverständlich zum Taufgottesdienst in der Schule eingeladen. Die Novalis-Kirche wird nicht mehr für den sonntäglichen Gottesdienst genutzt und sei deshalb ein neutraler Raum, betont Kerstin Müller.
Eine – wenn auch kleinere – Hürde bei den Taufen sind die Paten. Viele Eltern der Täuflinge haben im Verwandten- und Freundeskreis niemanden, der diese Aufgabe übernehmen könnte. Kerstin Müller ist deshalb schon viermal eingesprungen. Sie wünscht sich »Menschen in den Heimatgemeinden, die das Patenamt übernehmen und die Kinder über die Grundschulzeit hinaus in den Gemeinden und weiterführenden Schulen begleiten«.
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