Thomas Müntzer reicht dem Besucher die Hand
Der Reformator ist in Allstedt, Sangerhausen und Stolberg/Harz gegenwärtig
Von Steffi Rohland
In seiner Heimat war Thomas Müntzer nie vergessen: Die Chroniken der Dörfer der Goldenen Aue, deren Einwohner in Bad Frankenhausen kämpften, berichten über Hinrichtungen und Gefangennahmen, außerdem über Strafgelder, die den Ämtern nach der verlorenen Schlacht auferlegt wurden. Die marxistische Geschichtsschreibung überlieferte von Müntzer das Bild des Bauernführers und Revolutionärs. Straßen und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG), zum Beispiel in Schwenda und Sangerhausen, trugen seinen Namen. Noch heute lernen Kinder in Allstedt und Sangerhausen an »Thomas-Müntzer-Schulen«. 1951 erhielt der im Sangerhäuser Revier abgeteufte Schacht den Namen »Thomas Münzer« (Man beachte die Schreibweise!). Die Chronik der Mansfelder Bergleute erinnert an die Aufführung des Dramas »Thomas Müntzer« von Berta Lask (1878–1967) anlässlich der 400-Jahrfeier des Deutschen Bauernkrieges auf der Eisleber Wiese im Jahr 1925, an der über 1 000 Bergleute als Laiendarsteller mitgewirkt haben. Von Thomas Müntzer existiert kein einziges authentisches Bild. Deshalb ist es naheliegend, wenn Thomas Müntzer in der neugestalteten Ausstellung »1523 – Thomas Müntzer. Ein Knecht Gottes« auf Burg und Schloss Allstedt eine stilisierte, gesichtslose Figur ist. Folgt man allerdings Museumsleiter Adrian Hartke bei seinen Führungen im Talar durch die Räume und erlebt ihn bei der Predigt von der Kanzel, bekommt man ein sehr lebendiges Bild des Predigers und Reformators.
In seiner Geburtsstadt Stolberg/Harz hat man Müntzer dreimal ein Gesicht gegeben. Bei einem Rundgang durch die mittelalterlichen Straßen und Gassen fragt man sich: Hat Thomas Müntzer die Stadt geprägt oder die Stadt Thomas Müntzer? Im schmucken Fachwerkstädtchen, welches seit 1989 den offiziellen Titel »Thomas-Müntzer-Stadt« trägt, hat sich viel getan. Zum Beispiel bei der Rettung des Fachwerkhauses Niedergasse 17. Das zum Abriss vorgesehene Haus wurde vom Stadtrat saniert. Heute beherbergt es die Tourist-Information und ist Teil des Museums »Alte Münze«. Ein historischer Ort für die Spurensuche nach Thomas Müntzer, denn Vater Müntzer stand hier als Münzmeister im Dienste der Stolberger Grafen.
Bereits Mitte der 1950er-Jahre wurde dem großen Sohn der Stadt im kleinen Park am Stadteingang ein Denkmal errichtet. Der Künstler Robert Proft stellte Müntzer auf dem Relief zeitgenössisch typisch, als fahnenschwingenden Revolutionär, dar.
Ganz anders die überlebensgroße Bronzefigur, das letzte Müntzer-Denkmal der DDR, eingeweiht im September 1989. Es zeigt den geschundenen, standhaften Prediger Müntzer, mit den Gesichtszügen des Künstlers. Kaum aufgestellt, kamen die politischen Veränderungen in der DDR und damit die Diskussion, ob dieses Denkmal auf dem Markt stehen bleiben soll. Eine demokratische Abstimmung mit denkbar knappem Ergebnis sorgte für den Verbleib. Heute nehmen viele Besucher seine entgegengestreckte Hand.
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