Stadtkirchengemeinde gibt Gotteshaus auf
Abschied und Neubeginn
Von Wolfgang Hesse
Eine kurze und wechselhafte Geschichte rankt sich um die kleine Dorfkirche St. Michael im Stadtteil Gera-Pforten, der bereist 1919 nach Gera eingemeindet wurde. Erbaut und geweiht wurde die sogenannte Notkirche Ende der 1930er-Jahre. Anfangs hatten "Deutsche Christen" auf dem Erker der Kirche ein Hakenkreuz angebracht. Sieben Jahre später, im Jahre 1946, wurde die Kirche neu geweiht, weil die Weihe von damals nicht anerkannt werden konnte. In diesem Zusammenhang erhielt das Gotteshaus den Namen St. Michael. Mit der Entwidmung der Kirche trennt sich der Kirchenkreis Gera nun erstmalig von einem Kirchengebäude.
Für Friedrich Franke gehörte St. Michael zu seinem kirchlichen und geistlichen Leben. Seit 20 Jahren kümmerten sich seine Frau und er rührend um das Gotteshaus. "Krippenspiele, Küsterdienste, Kantorendienste, Lektorenarbeit und Leitung der Gottesdienste, eigentlich alles haben wir in der Kirche ausgefüllt", erinnert sich Franke. "Unser Sohn ist hier getauft worden, er war der vorletzte Täufling. Zu Heiligabend 2022 wurde der letzte Gottesdienst in dieser Kirche gefeiert."
Zur Stadtkirchengemeinde Gera gehören insgesamt sechs Kirchen. Damit gebe es auf lange Sicht nicht nur ein personelles Problem. Da die Kirchen auch baulich erhalten werden müssen, sieht sich die Stadtkirchengemeinde hier auch vor finanziellen Herausforderungen. "Daher haben wir im Gemeindekirchenrat beschlossen, uns von einer Kirche zu trennen. Auf St. Michael fiel die Wahl, weil dieses Gebäude den geringsten kulturhistorischen Wert besitzt", erklärt Franke.
"Im Kirchenkreis haben wir 100 Kirchen. Es sollte auch für andere Gemeinden ein Zeichen sein, dass der hohe Gebäudebestand auf die Dauer nicht zu halten ist." Am 16. Juli 2023 wurde die Kirche in Gera-Pforten in einem Gottesdienst entwidmet. "Natürlich realisiert man bei dieser an sich logischen Entscheidung nicht sofort, was daran hängt. Es hat schon weh getan, als die sakralen Gegenstände aus der Kirche herausgetragen wurden", gesteht Franke.
Werden einmal ähnliche Entscheidungen im Kirchenkreis getroffen, meint er, könne das wohl noch schmerzhafter sein, da gerade im dörflichen Umfeld mehr Menschen davon betroffen wären.
Der Gemeindekirchenrat sei sich sicher, dass das Aufgeben dieser Kirche dem geistlichen Leben in Gera keinen ernstlichen Schaden zufügen wird. Friedrich Franke findet die Überlegungen, die aktuell im Kirchenkreis diskutiert werden, einen guten und gangbaren Weg in die Zukunft des Gemeindelebens. Das Bestreben gehe zu einer neuen Struktur im Kirchenkreis. Hier sollen sogenannte Ausstrahlungsorte das Leben in und zwischen den Gemeinden auf eine neue Grundlage stellen. In diesem Zusammenhang solle die Kraft an bestimmten Orten konzentriert werden.
Das Gebäude in Pforten soll durch den Gemeindekirchenrat der Stadtkirchengemeinde veräußert werden. Erste Kaufanfragen gebe es auch bereits. Eine Entscheidung ist dazu derzeit noch nicht gefallen.
Autor:Online-Redaktion |
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