Stephanus' fragile Hülle
Herausforderung: Die Farbschicht der Steinskulpturen
im Halberstädter Dom muss saniert werden. Doch es gibt noch keine Methode zur Beseitung der Schäden.
Derzeit prüfen Experten, wie sie die Figuren retten können.
Von Uwe Kraus
Dem heiligen Stephanus, dem Schutzpatron des Halberstädter Domes, geht es schlecht. Die Skulptur im Hohen Chor wirkt wie die des Co-Patrons Sixtus und der zwölf Apostel aschfahl und blickt zerfurcht in den Kirchenraum. Den 14-farbig gefassten Steinskulpturen geht es schlecht, diagnostiziert Restauratorin Corinna Grimm-Remus. Sie benötigen unbedingt eine Ganzkörperkur, wie Ralf Lindemann von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt erklärt. Geschieht das nicht, droht der Verlust der originalen Fassung, also der Farbschicht. »Die Farbe ist im Laufe der Zeit zu einer Hülle geworden, die losgelöst vom Stein steht«, erläutert Grimm-Remus auf dem Gerüst in fünf Metern Höhe, das sie den Figuren ganz nah sein lässt.
Das Problem: Es gibt noch keine Methode, wie derartigen Schäden beizukommen ist. Nur anderenorts treffen die Experten auf ebenso stark geschädigte mittelalterliche Skulpturen. Nun testen über drei Jahre Restauratoren im Halberstädter Dom Methoden, um Stephanus & Co. vor dem Verfall zu bewahren. Nicht einfach, schließlich betrete man damit Neuland. »Dazu gibt es nichts auf dem Markt«, so die Restauratorin, die sich wie kaum jemand anderes schon über Jahre mit den Steinen des Halberstädter Domes befasst. Dabei entpuppt sich nicht der Staubmantel der Jahrhunderte als
Problem, sondern die Farbe, die nur noch einer Skulpturen-Hülle gleicht. Eine Notsicherung ist jetzt gefragt. Schließlich hätten Umwelteinflüsse über die Jahrhunderte die Haut der Figuren angekratzt. Im 19. Jahrhundert waren sie bei der Fenstersanierung über Jahre den schwankenden Außentemperaturen ausgesetzt. Nach dem ZweitenWeltkrieg lag sogar Schnee im Hohen Chor. So soll im Projekt geklärt werden, wie die massiven Schäden überhaupt entstanden sind.
300 000 Euro stehen dafür zur Verfügung, fast 120 000 Euro fließen allein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, wie deren Mitarbeiter Paul Bellendorf berichtet. »Ein spannendes Projekt, bei dem wir uns gerne engagieren.« Als besonders innovativen Aspekt sieht die Kulturstiftung eine Kooperation mit der Bauhaus-Universität Weimar. Die lässt Drohnen im Dom kreisen, um alles dreidimensional darzustellen. Auch dabei ist Vorsicht geboten: Bei den Nahaufnahmen dürfen sich die kleinen Flugobjekte nicht zu dicht an die Figuren heranwagen. Die fragile Farbschicht könnte durch die Abluft weggepustet werden. Beim späteren »Facings« soll eine Art Schutz- oder Zwischenschicht im Sinne einer Kaschierung gefunden werden, die eine Fassungsfestigung und »Replatzierung« erlaubt, aber den Verlust der Fassung durch direkte Berührung verhindert. Dabei soll der Schmutz entfernt werden, ohne die Farbe zu beschädigen. Im Rahmen einer ersten Notsicherung soll das modellhaft entwickelte Vorgehen am gesamten Skulpturenbestand umgesetzt und fachlich überprüft werden. Dazu wird es auf einem Fachkolloquium einen Erfahrungsaustausch im Dom zu Halberstadt geben.
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