Die Öku-WG
Einmal klingeln evangelisch, zweimal klingeln katholisch: Pfarrhaus Wienrode im Harz
Von Uwe Kraus
Das verflixte siebte Jahr haben wir hinter uns«, freut sich Pastor Oliver Meißner und meint eine ganz spezielle Beziehung. »Wir könnten an unsere Haustür ›Einmal klingeln –
evangelisch, zweimal klingeln – katholisch‹ schreiben«, scherzt er. Denn im Pfarrhaus von Wienrode zeigen ein katholischer Pfarrer und ein evangelisch-lutherischer Gemeindepastor der Landeskirche Braunschweigs, wie gut es sich in aller Freundschaft unter einem gemeinsamen Dach lebt.
Der Katholik Wolfgang Golla zog Ende Oktober 2010 in die leerstehende Pfarrhaus-Wohnung. »Ich wollte meinen Ruhestand in Wienrode verbringen.« Das verwunderte damals selbst seinen Bischof, denn Ruheständler siedeln sich zumeist in den Zentren Magdeburg und Halle an. »Doch mich führten mindestens zwei Dinge auf dieses Dorf: Ich habe hier ein Feriengrundstück und ab 1967 wirkte ich als Vikar in der Blankenburger St. Josef-Gemeinde. Damals war ich in den umliegenden Orten für die Kinder- und Jugendarbeit zuständig.« Oft trifft er heute noch Menschen von damals. »Ein komisches Gefühl. Viele sind heute Oma und Opa.«
In Wienrode schließt sich ein Lebenskreis. Wolfgang Golla, der im Vorjahr seine Goldene Priesterweihe feierte, spricht von den acht Stationen seines Berufslebens. Den in Quedlinburg Geborenen führte es nach Hedersleben, nach Stendal, Magdeburg und im Alter von 59 Jahren nochmal nach Herzberg an der Elster.
Danach, mit 70 Jahren, kehrte er in den Harz zurück und bildet nun mit dem 30 Jahre jüngeren Oliver Meißner eine »ökumenische WG«. Der evangelische Kirchenmann weiß, die Wohnung muss zum Menschen passen. »Wir sind ein öffentliches Haus. Im Winter vormittags Gottesdienst, dann Chorproben und Gitarren-Unterricht. Wir haben geschaut, ob wir uns auf das Experiment einlassen können.« Die Experimentierphase ist beendet. »Wir teilen uns nicht nur das Haus, sondern zu bestimmten Anlässen auch die Kirche.«
Das Duo erlebt eine Realität, die es nur im Osten so gibt, sagt der westsozialisierte Meißner, der seit 16 Jahren in Wienrode gern Dienst tut. »Hier heißt es nicht, evangelisch oder katholisch, sondern christlich oder nicht.« Das Christsein verbindet die beiden Männer, sie dienen dem Herrn. »In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen«, könnte man Johannes 14,2 zitieren. »Wir sind Kirche vor Ort«, spricht der Jüngere für den Ruheständler mit. »Und sammeln unsere Schäfchen.« Dass Wolfgang Golla nicht i. R., »im Ruhestand«, sondern »in Reichweite« ist, merken die beiden Männer an so manchem Sonntagvormittag, wenn sie sich auf dem Hof treffen. »Da kommt Wolfgang vom Frühgottesdienst, und ich gehe zu meinem Gottesdienst.«
Gelegentlich hört Golla dem Pfarrer bei seiner Predigt zu und teilt seine Sorgen: In den Kirchengemeinden der Blankenburger Ortsteile sowie einiger ebenfalls zur Propstei Bad Harzburg gehörenden Oberharzer Gemeinden sieht Meißner sich oft im kleinen Kreis. »Ich erlebe Kirche als Saisongeschäft. Weihnachten, Ostern, Erntedank, da füllen sich die Reihen.« Noch zu wenig Gemeindeglieder kommen in den Nachbarort, wenn in dessen Kirche Gottesdienst gefeiert wird. »Wenn ich es mal überspitze, in vielen Dörfern ist bis auf Bushaltestelle und Kirche kaum noch etwas da. Da braucht es Identifikation.« Eine Frage, die die Männer gelegentlich diskutieren. »Wir sind da schon etwas weiter«, findet der pensionierte katholische Priester, für den es kaum ein Wochenende ohne Gottesdienst gibt. Rundum vertritt er Kollegen.
Die ökumenische Wohngemeinschaft funktioniert, der Evangelisch-Lutherische wohnt oben, der katholische Ruheständler unten. Und einen Untermieter beherbergt das Wienröder Pfarrhaus – Wolfgang Gollas Hund Kiwi.
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