Klinikseelsorge im Kirchenkreis Halberstadt
Ein besonderer Dienst
Pfarrer Matthias Zentner widmet sich an drei Standorten dieser Aufgabe und bildet selbst aus, gibt Palliativkurse für Krankenpflegeschüler. Er sieht sich an einer Schnittstelle von Kirche und säkularer Gesellschaft.
Von Uwe Kraus
Seelsorge halte ich für zeitintensive Beziehungsarbeit“, sagt Pfarrer Matthias Zentner. „Ich finde es großartig, dass mein Kirchenkreis Halberstadt nicht nur die parochiale Arbeit unterstützt, sondern ebenso die spezialisierte Seelsorge in den Krankenhäusern und Pflegeheimen alimentiert.“ Sich in Zeiten knapper Kassen nur auf die Kerngemeinde zu fokussieren, sei „zu kurz gesprungen. Die Pfarrer im Krankenhaus, bei der Polizei oder im Knast halte ich für sehr wichtig.“
Der Dienst der Krankenhausseelsorge sei ein besonderer, weil an den Krankenbetten und in den Dienstzimmern der Mitarbeitenden Wichtiges geschieht, findet auch Superintendent Jürgen Schilling. So finanziert der Kirchenkreis eine Viertelstelle für Pfarrerin Saskia Lieske am AMEOS-Klinikum der Kreisstadt. Im kommunalen Harzklinikum wurden, nachdem Pfarrerin Ulrike Hackbeil in den Ruhestand ging, die Karten neu gemischt. So hat der Kirchenkreis Pfarrer Matthias Zentner neben seinem Dienst an den Standorten Quedlinburg und Blankenburg auch nach Wernigerode geschickt, damit das dortige Klinikum nicht gänzlich unversorgt bleibt.
"Der Mensch darf in solchen Stunden nicht allein sein und will nicht vergessen werden“
So versorgte Matthias Zentner seit 2022 – zusätzlich zu seiner 25 Prozent-Stelle für die Gemeindearbeit in Quedlinburg und seine beiden Klinikstandorte – auch Wernigerode mit. Der Pfarrer redet von einem Kuchen, der nun neu aufgeteilt wird. „Weil man Klinikseelsorge so nicht qualifiziert leisten kann, ist mein Viertel Jugendarbeit nun weggefallen, und der Kreiskirchenrat hat beschlossen, weitere 25 Prozent Stellenanteile freizugeben und zu finanzieren. Jetzt bin ich hundertprozentiger Klinikseelsorger an drei Standorten.“
So sehr ihn diese gute Entscheidung freut – seinen Dienst, den er vor rund 20 Jahren begann, hat das doch verändert. „Bisher war ich immer mit dem Fahrrad unterwegs. Jetzt werde ich im Sommer erstmal die Route nach Wernigerode per Rad testen.“ Er empfindet nun durchaus eine andere Dynamik als beim bisherigen schönen Mix, der neben Klinikseelsorge auch das Fröhlich-Vitale des Begleitens von Jugendlichen auf dem Weg ins Leben beinhaltete.
Zentner hat in zwei Häusern des Harzklinikums ein Büro und geht am Standort Blankenburg durch die Zimmer und Flure, um Ansprechpartner für Mitarbeiter wie Patienten und Angehörige zu sein. Dass es im Krankenhaus den „Raum der Stille“ gibt, hält Zentner für wichtig. „Das ist eine Möglichkeit, irgendwo hinzugehen, raus zu können oder sich als Mitarbeiter einen stillen Ort zu suchen.“ Er selbst empfindet ihn als Kraftquelle und guten Platz für Abschiede und Aussegnungen.
Matthias Zentner spürt, dass er mit seiner Hinwendung zur Klinikseelsorge „eine Sondersituation mit tragischen Häufungen gewählt“ hat. Er absolvierte eine Ausbildung in klinischer Seelsorge. „Ich halte es für sehr wichtig, dass jeder, der in der Klinik, bei Polizei, Feuerwehr oder im Gefängnis sein Pfarramt ausübt, zwei sechswöchige Seelsorgekurse mit Zertifizierung besucht. Es geht ja darum, auf den Anderen zu achten, zuhören zu können und Menschen wieder in ihre richtige Spur finden zu lassen.“
Unterdessen gehört Matthias Zentner zu den Ausbildern und organisiert Kurse für Menschen, die gut zuhören können müssen. Das kann man lernen!
Er selbst geht zur Supervision, „denn manchmal verknoten sich die Dinge, und es besteht die Gefahr, irgendwie stecken zu bleiben". Am Care Campus Harz kommt der Pfarrer mit den Krankenpflegeschülern im Unterricht zusammen, gibt Palliativcare-Kurse. „Manchmal sehe ich sie auf der Station wieder, da haben wir eine Gesprächsbasis.“
Für die 30 Grünen Damen an den drei Klinikstandorten ist er nicht der Chef, sondern versteht sich als Wegbegleiter derer, die als Ehrenamtliche eine wichtige Arbeit leisten. Zentner gehört zu den Gründern solcher Selbsthilfegruppen wie „Verwaiste Eltern“. Er hält solche Treffen für sehr wichtig, weil man dort versucht, sich gegenseitig zu stärken.
Der Klinikpfarrer sieht sich, ob am Kranken- oder Sterbebett oder in der Telefonseelsorge, an einer Schnittstelle von Kirche und säkularer Gesellschaft, dort, wo Menschen Trost brauchen und suchen. „Da sind Patienten mit schlimmen Diagnosen, Angehörige, die in Sorge sind, und Mitarbeitende, die unter schwierigen Arbeitsbedingungen leiden. Mich rühren Schicksale. Ich begleite Menschen im Leben und im Tod, aber auch in ganz besonderen biografischen Momenten. Ein buntes Programm eigentlich. Dabei erlebe ich so etwas wie Gemeinde, nur eben an diesem besonderen Ort.“
Manchmal macht der Seelsorger besondere Geschenke wie Herzen aus Olivenholz, was an den knorrigen Lebensbaum der Menschen erinnert, als Handschmeichler, damit sie symbolisch etwas zum Festhalten in der Hand halten. Oder Gläubige bekommen kleine Bronzeengel, die sie Hoffnung machend ein Stück im Leben begleiten. „Ich weiß nicht, wie viele ich davon schon mit beerdigt habe. Der Mensch darf in solchen Stunden nicht allein sein und will nicht vergessen werden“, sagt er.
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.