Thesen als Grundlage für die Beratungen
Gemeindesynode: Kirchenparlament diskutiert Impulse von Prof. Michael Domsgen
1. Der Kontext kirchlicher Arbeit ist immer auch theologisch zu deuten.
Zu fragen ist dabei nicht zuerst, wie kirchlicherseits Entwicklungen gestoppt werden können, die als problematisch wahrgenommen werden, sondern vielmehr umgekehrt, worin die aufzeigbaren Entwicklungen kirchliches Handeln stoppen. Positiv gewendet: Es ist danach zu suchen, was Kirche an diesen Entwicklungen zu lernen hat.
2. Das Spektrum an Positionen im weltanschaulich religiösen Feld unter Konfessionslosen ist breit und kann nicht einfach auf einen Nenner gebracht werden. Am ehesten wird man vielleicht als verbindendes Moment festhalten können, dass sich mit diesem Begriff schwerpunktmäßig eine Distanzierung gegenüber religiösen Profilierungen beschreiben lässt, die auf eine Vereindeutigung religiöser Positionierung dringen, wobei dieses Drängen ganz unterschiedlich gestaltet sein kann. Darin liegt ein wichtiger Impuls kirchlicher Selbstvergewisserung. Denn die Tendenz zur religiösen Vereindeutigung war lange Zeit obrigkeitlich motiviert. Sie ist heute neu zu bestimmen.
3. Konfessionslose in Mitteldeutschland sehen sich oft in einer Distanz allen explizit religiösen Formen der Lebensdeutung und -gestaltung gegenüber. Das stellt die Frage in den Raum, wie Evangelium so kommuniziert werden kann, dass es Menschen erreicht, die nicht entsprechend sozialisiert worden sind.
4. Christsein heißt, sich vom Leben, Wirken und Geschick Jesu berühren und davon in seinem Lebensentwurf bestimmen zu lassen. Diese vom Evangelium angestoßene Bewegung ist nicht abschließbar und lässt sich nicht auf einen abgegrenzten Bereich des menschlichen Daseins beschränken. Die Kirche hat dafür Impulse zu geben und das unterstützend zu begleiten. Dazu braucht sie ein dynamisches Selbstverständnis: »Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber.« (Luther)
5. Kirche darf sich nicht selbst zum Hauptthema werden. Ihre Bedeutung geht ganz in ihrer Funktion auf, die darauf ausgerichtet ist, die Einzelnen in ihrer Lebensführung und -deutung unter Inanspruchnahme des Christlichen zu unterstützen. Das erfordert eine selbstlos agierende Kirche, die sich konstitutiv der Unverfügbarkeit aussetzt und bereit ist, ihr Handeln an der Relevanz für die anderen auszurichten.
6. Die gegenwärtige Gestalt von Kirche vereinigt in sich unterschiedliche Idealbilder und Sozialformen, die in kirchentheoretischer Perspektive mit der Denkfigur »Kirche als Hybrid« erfasst werden können. Kirche wird dabei als Institution, Organisation und Bewegung in den Blick genommen. Auch für die EKM ist das erhellend:
6.1 Die Institution ist in den Jahren stark geblieben, allerdings korrespondiert dem nur teilweise ein entsprechendes Mitgliedschaftsverhalten. Die institutionell gegebenen Mitwirkungsmöglichkeiten sollten nicht leichtfertig aufgegeben werden, so sie sich als hilfreich für Menschen erweisen.
6.2 Kirche als Organisation steht vor der doppelten Herausforderung, den eigenen Mitgliedern gerecht zu werden und sich den Konfessionslosen zuzuwenden. Ersteres gelingt vor Ort oft gut. Für Letzteres gibt es kaum eigene Strukturen. Insgesamt gesehen sind allerdings die Steuerungsmöglichkeiten sehr begrenzt.
6.3 Gegenwärtig konzentriert sich die EKM auf parochial ausgerichtete Gemeinschaftsformen und nimmt die familialen und medialen Sozialformen viel zu wenig in den Blick.
6 ½ Keiner weiß, wie die Kirche der Zukunft genau aussehen wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Kirche dynamischer zu agieren haben, werden also die institutionellen Momente des Dauerhaften und Vorgegebenen weiterhin zurückgehen. Kirchliche Arbeit wird fluider und situativer werden. Der Gemeinschaftscharakter wird verstärkt eine Rolle spielen, wobei unterschiedliche Sozialformen wichtig werden. Dabei wird die Bedeutung der Ortsgemeinde vor allem für die Jugendlichen und jungen Erwachsen weiterhin zurückgehen. Gesteuert werden wird all das nur in dem Sinne werden können, dass die Sensibilität für und das Vertrauen auf den Kairos (günstigen Zeitpunkt, Anm. d. Red.) gestärkt wird.
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.