Wort in die Tat umsetzen
Diakonische Gemeinschaft sieht sich nicht als Auslaufmodell
Von Katja Schmidtke
Diakon – ein Auslaufmodell? Natalie Gaitzsch schaut fragend, das sei wohl provokant gemeint, sagt die Älteste der Diakonischen Gemeinschaft der Brüder und Schwestern des Lindenhofs. In Neinstedt wurden seit Gründung des Knabenrettungs- und Brüderhauses 1850 immer auch Diakone ausgebildet, und dies soll in Zukunft so bleiben. Der Diakon, die Diakonin seien keine Auslaufmodelle, nur weil es im landeskirchlichen Dienst keine Stellenangebote gebe.
Im Gegenteil. Diakone seien eine Chance für die Kirche, betont Natalie Gaitzsch. »Weil Diakone in die Welt gehen, dorthin, wo sie gebraucht werden, weil sie das gepredigte Wort in die Tat umsetzen«, sagt die Älteste. Mit ihrer Doppelqualifikation – Diakone haben einen weltlichen Beruf gelernt, meist in einem sozialfachlichen Bereich wie Erzieher, Krankenpfleger oder Sozialarbeiter und absolvierten zudem eine theologisch-diakonische Ausbildung – sind sie Brückenbauer.
Sie bauen Brücken zwischen der Kirche und der Welt, zwischen traditionellen Gemeinden und Menschen, die Kirche vielleicht nur als Kind oder von der Christvesper kennen, die aber in dieser postsäkularen Welt, wie Natalie Gaitzsch es sagt, eine tiefe Sehnsucht verspüren.
In Neinstedt erwächst aus der Historie des Knabenrettungs- und Brüderhauses eine besondere Prägung des Diakonats. »Diakone wenden sich Menschen zu, die von der Kirche entfernt sind. Menschen mit Sorgen und in Nöten, die von sozialem Abstieg bedroht sind, Menschen mit sozialen und körperlichen Behinderungen«, sagt Hans Jaekel, pädagogisch-diakonischer Vorstand der Evangelischen Stiftung Neinstedt und selbst als Jugenddiakon ins Beruf(ung)sleben gestartet. Die Arbeit eines Diakons vergleicht er mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Eine Mission, die kaum der Worte bedarf.
Doch das Wort bekommt neben der Tat im neuen Diakonen-Gesetz der EKM einen besonderen Stellenwert. Erstmals wird geregelt, was zumindest in der Kirchenprovinz Sachsen oft gelebte Praxis war: Dass Diakone – innerhalb ihres Dienstes und Auftrags – das Evangelium verkünden und Kasualien verwalten, dass sie also Andachten halten, Aussegnungen gestalten, taufen und beerdigen und das Heilige Abendmahl austeilen dürfen. Das sei besonders wichtig, weil Menschen mit Behinderungen, wie sie etwa in der Neinstedter Stiftung leben und arbeiten, ihren Glauben eher in einer personenzentrierten denn einer klassischen parochialen Gemeinde leben. Das neue Gesetz verschaffe den Diakonen kirchenrechtliche Sicherheit, aber »eigentlich geht es nicht darum, ob es uns damit gut geht oder nicht, sondern ob wir Gemeinde ernst nehmen«, betont Natalie Gaitzsch. Und Jesu Wort: Kommt alle!
Natürlich reise nun nicht jeder Diakon umher und teile das Abendmahl aus. Stiftungsvorstand Jaekel sagt, Diakone arbeiten nicht an Pfarrern vorbei, sondern mit ihnen. Man brauche den Pfarrer. »Er ist für uns auch ein wichtiger Impulsgeber in bildenden geistlichen Dingen. Wir müssen da zusammen denken, nicht gegeneinander«, sagt Hans Jaekel.
In Neinstedt ruht derzeit die Diakonen-Ausbildung. Im kommenden Jahr soll ein berufsbegleitender Kurs beginnen, und das Diakonenkolleg möchte zudem seine Angebote erweitern. Zum einen für die 1 000 Stiftungsmitarbeiter, zum anderen für Einrichtungen, die ihr diakonisches Profil schärfen möchten – für mehr Brücken zwischen Kirche und Welt.
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