Das Universum in Hödingen
Rast- und Pilgerkirche: Im Kirchenkreis Haldensleben-Wolmirstedt ist ein christlicher Sternenhimmel zu entdecken.
Von Thorsten Keßler
»Wir holen uns das Universum in unser kleines Hödingen!« Eine schöne Vorstellung, findet Pfarrerin Esther Spenn, während sie an die Decke der 1706 erbauten Hödinger Johanniskirche blickt. Genau genommen ist das Universum schon längst angekommen, denn neben Engeln und Wolken schimmern am Tonnengewölbe scheinbar ungeordnet auch Sterne hindurch. Esther Spenn ist seit 2001 Pfarrerin in Hödingen und hat seitdem beobachtet, »dass jedes Jahr ein bisschen mehr zu sehen ist, vom barocken Sternenhimmel«.
Diese in einer Kirche nahezu einzigartige Darstellung eines christlichen Sternenhimmels gibt es nämlich nur in der Nähe von Rom oder in dem kleinen Dorf im Bördekreis, nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen.
Der Augsburger Augustinermönch Julius Schiller hatte im 17. Jahrhundert den Versuch unternommen, einen christlich geprägten Sternenkatalog zu erstellen. Schiller hat die Namen der Sternbilder und Tierkreiszeichen ersetzt durch Figuren und Symbole aus der Bibel. Im südlichen Sternenhimmel findet sich das Alte Testament wieder, im nördlichen das Neue Testament. Der Widder wird bei Schiller zu Simon Petrus, der Löwe zum Apostel Thomas oder der Große Wagen ist das Boot des Heiligen Petrus. Die seitenverkehrte Himmelsdarstellung zeigt den Sternenhimmel quasi von oben aus göttlicher Perspektive.
Die Rekonstruktion dieser christlichen Himmelsdarstellung an der barocken Gewölbedecke wird der nächste Bauabschnitt des Projektes »Rast- und Pilgerkirche Hödingen«. Naheliegend, denn in der Nähe verlaufen sowohl der Aller-Radweg als auch der Aller-Elbe-Radweg, eine rund 80 Kilometer lange Verbindung der beiden Flüsse. Außerdem führt die »Straße der Romanik« ein paar Kilometer südlich durch Walbeck hindurch.
In den vergangenen Jahren wurde die Kirchturmfassade saniert und das Dach der Kirche neu gedeckt. Über den Turm zu erreichen ist ein kleiner Raum unterm Dach, Ruheraum für Pilgernde oder Fahrradfahrer. »Hier können wir auch mit Kindern in der Kirche übernachten«, sagt Esther Spenn. Die vielen Aktivitäten in Hödingen sind bis nach Hannover vorgedrungen. So wurde die Johanniskirche von der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler im Dezember 2015 zur Kirche des Monats gekürt.
Vis-à-vis des Ruheraumes im Dach tickt die Uhr. Ernst Hermann Thormeier, Vorsitzender des Gemeindekirchenrats, kommt jeden Tag hier hinauf, um das Uhrwerk aufzuziehen. Durch den Umbau der Treppe fehle eine Etage für die Uhrgewichte, berichtet Thormeier, so dass die Uhr maximal eineinhalb Tage laufe. Thormeier bleibt gelassen: »Andere joggen, ich steige Treppen und ziehe die Uhr auf.«
Mit verschiedenen Aktionen sammelt die Gemeinde Spenden für ihre Kirche. Die rund 300 Sterne am Tonnengewölbe werden symbolisch für 50 Euro verkauft. Rund die Hälfte des Sternenhimmels ist schon an den Mann oder die Frau gebracht worden. Ein Paar hat jenen Stern erworben, unter dem es sich irgendwann später das Ja-Wort geben möchte. Im Mai führte eine Etappe der Pilgeraktion »Wo Luther nicht war« im Kirchenkreis Haldensleben-Wolmirstedt rund um Hödingen und am 23. Juni feiert die Gemeinde Johannisfest an ihrer Kirche.
Pfarrerin Spenn hofft auf finanzielle Unterstützung aus dem Leader-Fördprogramm, damit die Bauarbeiten in diesem Jahr starten können. Auf dass das Universum bald frisch saniert in der Hödinger Johanniskirche strahlt.
Autor:Online-Redaktion |
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