Was ist Kirche?
Abriss oder Aufbau: In vielen Kirchengemeinden in der EKM stellt sich die Frage, wie sie mit ungenutzten Gebäuden umgehen und wie sich das Gemeindeleben organisieren lässt. Eine Betrachtung zur Zukunft von Gemeinde.
Von Renate Wähnelt
Riesengroß ist die Kirche in Dahlenwarsleben. Hundertausende Euro sind allein nötig, damit sie nicht weiter Schaden nimmt. Um ein zukunftsweisendes Konzept zu realisieren, wenigstens eine Million. Doch die Gemeinde in dem Bördedorf zählt nicht einmal 100 Köpfe, zum Gottesdienst kommt eine Handvoll Leute. Ist die Investition zu rechtfertigen?
Pfarrer Johannes Könitz, der die Gemeinde im Kirchenkreis Haldensleben-Wolmirstedt betreut, erntete mit dieser Frage auf der jüngsten Kreissynode nicht etwa einen Sturm der Entrüstung, eher ratloses Schweigen. Denn aus der Verantwortung könne man sich nicht stehlen, erwiderte Pfarrer Thomas Wolter. »Wenn Sie eine Kirche retten wollen, setzen Sie das Gerücht in die Welt, dass sie abgerissen werden soll«, merkte Superintendent Uwe Jauch an. Wie wahr – und wie seltsam.
Kleine Gemeinden und große Baulasten. Das Warten betagter Menschen am Geburtstag auf den Pfarrer oder die Pfarrerin. Die aber viele Besuche in vielen Gemeinden zu bewältigen hätten. So kommt »nur« ein Prädikant oder Lektor. Das ist ein anderes Lebensgefühl, als wenn der Pfarrer vorbeischaut – gerade auf dem Land. Unzulänglichkeiten, Unzufriedenheit, wohin man schaut.
Zukunftswerkstätten sind eine Antwort auf die zunehmende Diskrepanz zwischen sinkenden Zahlen an Gemeindemitgliedern und den gleich bleibenden Erwartungen an »die Kirche«. Sie resultieren aus der Erkenntnis, dass geringer werdenden Mitgliederzahlen und Geldern und der damit sinkenden Zahl an Stellen nicht ewig mit Strukturveränderungen – sprich: größeren Pfarrbereichen – beizukommen ist.
Aber wie dann? Was ist die Aufgabe der Pfarrer, was die der engagierten Laien? Diese Frage versuchten die Synodalen im Kirchenkreis Südharz während ihrer jüngsten Tagung zu beantworten. Es war ein Auftakt für ihre Zukunftswerkstatt, die mit Treffen in allen Regionen jetzt Fahrt aufnehmen soll. Eingeladen sind nicht nur Menschen der Kirche sondern alle, die sich für ihren Ort, ihre Region engagieren. Damit nicht die jungen Leute wegziehen, die Alten bleiben und irgendwann niemand mehr im Dorf wohnt. Lebensmittelladen, Post, Sparkasse, Kneipe sind schließlich schon weg. Die Kirche bleibt stehen – leer?
Bei aller Arbeitsbelastung der Hauptamtlichen, bei aller Sorge – dass so überraschend viele Menschen Zeit, Kraft und Geld in den Erhalt der Kirchengebäude stecken, wie Uwe Jauch unterstrich, sollte man optimistischer sein. Dieses Mittun ist handfester Beleg für eine allgegenwärtige Tendenz: Für konkrete Projekte mit (vermutlich) überschaubarem Zeithorizont finden sich Engagierte. Wenn sie nicht Mitglied der Kirchengemeinde sind, aber dennoch dabei sind – wirkt da nicht der Heilige Geist? Landesbischöfin Ilse Junkermann hatte in einer Diskussion viel Skepsis geerntet mit ihrer Ermunterung, nicht so sehr auf die Kirchenmitgliedschaft zu schauen, sondern einfach das Wirken von Menschen anzunehmen, sie die Kirchengebäude mit Leben füllen lassen.
Ihr Plädoyer, sich von der pfarrerzentrierten Kirche zu verabschieden, klingt ebenso befremdlich. Denn noch immer ist es so, dass das Bild der Kirche in erster Linie durch den Pfarrer geprägt wird, stellte Sabine Heger fest. Die Synodale im Kirchenkreis Haldensleben-Wolmirstedt sieht ebenfalls, dass sich Ehrenamtliche wie sie mehr als »Kirche« fühlen und präsentieren sollten und wünscht sich dafür mehr Anleitung. »Es muss doch nichts perfekt sein. Wir können eigentlich nichts falsch machen. Wenn wir vor Ort etwas tun, dann prägen wir das Bild von Kirche«, ermunterte sie zu offensiverem Agieren.
Trotzdem ist es etwas anderes, wenn der Pfarrer zum Gratulieren kommt und nicht »nur« der Nachbar. Enttäuschte Erwartungen werden auch die innovativsten Zukunftswerkstätten nicht vermeiden können.
Autor:Online-Redaktion |
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