Universität Halle
Theologen kritisieren einseitige Bibelauslegung bei Sexualität
Halle (kna) - Evangelische Theologen haben eine oft einseitige Auslegung der Bibel zu Sexualität und Partnerschaft kritisiert. Bei den Theologischen Tagen der Universität Halle-Wittenberg betonte der Alttestamentler Stefan Schorch: "Bei der Homosexualität etwa kristallisiert sich heraus, dass wir kein ganz eindeutiges biblisches Zeugnis haben." Es gebe Bibelstellen, die Homosexualität als Sünde bezeichneten, aber auch solche, die von zärtlichen Beziehungen zwischen Männern berichteten.
Schorch kritisierte, dass die Vielfalt der biblischen Positionen zu Sexualität und partnerschaftlichem Zusammenleben kaum zum Tragen komme: "Nirgendwo habe ich eine Position gefunden, wo die verschiedenen biblischen Texte in gleichberechtigter Weise berücksichtigt und wahrgenommen werden, sondern es sind immer Schwerpunktsetzungen, die sich aus dem jeweiligen Vorverständnis ergeben, um eine Botschaft zu konstruieren." Das sei ein "problematischer Befund", weil sich viele theologische Positionen auf die Bibel beriefen, um etwa Homosexualität zu verurteilen oder eine ausschließlich zwischen Mann und Frau mögliche Ehe zu begründen.
Überdies kritisierte Schorch, dass theologische und kirchenamtliche Stellungnahmen zum Thema häufig den Fokus auf die praktizierte Sexualität legten, aber kaum die Aspekte einer verantwortungsvollen Partnerschaftlichkeit zwischen zwei Menschen berücksichtigten. "Homosexualität kann aus biblischer Sicht auch als eine Form der göttlichen Schöpfungsordnung verstanden werden, in der zwei Menschen eine Treue leben, die der Treue Gottes entspricht", so der in Halle lehrende Theologe.
Der Theologe Eckart Reinmuth, der an der Universität Rostock den Lehrstuhl für Neues Testament innehat, empfahl: "Es ist wichtig, die Bibel ganz genau zu lesen - dann sieht man, dass sie voller Widersprüche ist und der harmonisierenden Lesart, die wir uns angewöhnt haben, widerspricht." Es gebe viele Perspektiven auf Phänomene der gelebten Sexualität. Bei dieser Pluralität handele es sich nicht um Beliebigkeit, sondern um Variationen der christlichen Botschaft. "Wo wir anfangen, die Bibel ernst zu nehmen und uns ihren Spannungen zu stellen, sollten wir das als Bereicherung wahrnehmen."
Autor:Katja Schmidtke |
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