Aufarbeitung nicht beendet
Sachsen-Anhalt wirbt für Fristverlängerung
Von Katja Schmidtke
Sachsen-Anhalt will sich beim Bund dafür einsetzen, die Frist für Anträge zur Entschädigung von DDR-Unrecht zu verlängern. Auf dem Halle-Forum, dem größten Treffen ehemaliger politischer Häftlinge in Sachsen-Anhalt, sagte Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU): »Wir müssen für die Fristverlängerung kämpfen; wenn nicht sogar für eine Entfristung.«
Die gesetzliche Frist läuft Ende 2019 aus – 30 Jahre nach dem Mauerfall. »Aber wir stehen noch immer vor der Aufgabe, begangenes Unrecht aufzuarbeiten«, so Brakebusch weiter.
Diese Meinung vertritt auch Birgit Neumann-Becker, Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Ihren Angaben zufolge werden in Sachsen-Anhalt jährlich zwischen 1 200 und 1 400 Anträge auf Rehabilitierung und Entschädigung gestellt.
Thema des 23. Halle-Forums waren die sowjetischen Speziallager, in denen rund 120 000 Menschen interniert waren – zunächst Angehörige des NS-Regimes, dann politische Häftlinge. Die Überlebenden kämpfen bis heute mit den Folgen. Weil sie ohne Anklage und Urteil eingesperrt worden sind, gibt es keine Gerichtsakten – und damit wenig Chancen, rehabilitiert und entschädigt zu werden.
Dieses Leid, über das man in der DDR offiziell nicht sprechen durfte, soll nicht vergessen werden, mahnte Birgit Neumann-Becker. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezeichnete das Wissen – oder besser: Nichtwissen – über die sowjetischen Speziallager als »große Leerstelle«. Es sei »hoch an der Zeit«, dies aufzuarbeiten.
Doch den inzwischen hochbetagten ehemaligen Häftlingen fällt es zunehmend schwer, ihr Anliegen in eine breite Öffentlichkeit zu tragen. »Das Interesse ist gesunken, wir müssen unsere Anstrengungen intensivieren«, sagte Alexander Latotzky, der Bautzener Lagerhäftlinge vertritt. Latotzky appellierte an Vereine und Initiativen zusammenzuarbeiten und forderte ehemalige Internierte auf, ihre Lebensgeschichte niederzuschreiben.
Pfarrer Matthias Taatz von der Lagergemeinschaft Mühlberg sprach sich dafür aus, Zeitzeugenberichte und Dokumente zu digitalisieren und über das Internet zugänglich zu machen. Er warb zudem dafür, das Thema in die Lehrpläne der Schulen aufzunehmen. Katja Schmidtke
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