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Millionen für die "Christliche Sittenlehre"

Dieses Renaissancegebäude nahe dem halleschen Marktplatz wird auch Schleiermacherhaus genannt. Der Theologe wohnte hier von 1804 bis 1807. | Foto: Claudia Crodel
  • Dieses Renaissancegebäude nahe dem halleschen Marktplatz wird auch Schleiermacherhaus genannt. Der Theologe wohnte hier von 1804 bis 1807.
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Die Vorlesungen zur "Christlichen Sittenlehre" von Friedrich Schleiermacher gehören zu den einflussreichsten Arbeiten des berühmten Theologen des 19. Jahrhunderts. Trotzdem gibt es bislang keine vollständige Edition davon. Ein neues von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für maximal zehn Jahre mit bis zu 2,8 Millionen Euro gefördertes Langfristvorhaben soll diese Leerstelle füllen. Forscher der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster arbeiten an der ersten vollständigen Gesamtausgabe dieser Vorlesungen.
Was Immanuel Kant für die Philosophie ist, ist Friedrich Schleiermacher (1768-1834) für die Theologie. "Er hat den gesamten Kosmos der Geistes- und Sozialwissenschaften abgehandelt. In der Theologie, Philosophie, Pädagogik, Soziologie und vielen anderen Disziplinen gehört er zu den einflussreichsten Autoren seiner Zeit", sagt der Theologe Jörg Dierken, Professor an der halleschen Universität und einer der Leiter des Forschungsprojektes.
Schleiermachers Vorlesungen zur "Christlichen Sittenlehre" nehmen in seinem Werk eine zentrale Stellung ein. Darin entwickelte er die Idee einer des-kriptiven Ethik, die das moralische Verhalten der Menschen eher neutral beschreibt und nicht wie dogmatische Theorien auf Ver- oder Geboten ba-siert. Gleichzeitig stellte Schleiermacher das Programm einer Wirkung des Christentums in einer zunehmend säkularen Gesellschaft auf und bietet damit ein Modell zur Selbstverortung der christlichen Religionsgemeinschaften in modernen Gesellschaften. Für die Forschung sind diese Aufzeichnungen von großer Bedeutung. "Einen Großteil ihrer Wirkung haben die Gelehrten damals über ihre Vorlesungen erzielt – und nicht über Publikationen", sagt Dierken. Insgesamt zwölf Mal hielt Schleiermacher diese Vorlesung: das erste Mal 1806 an der Universität Halle, zuletzt 1831 an der Humboldt-Universität zu Berlin, an deren Gründung er maßgeblich mitgewirkt hat. Bis zu seinem Tod hatte Schleiermacher geplant, die "Christliche Sittenlehre" zu publizieren. Erhalten sind heute neben den Mitschriften seiner Schüler nur Fragmente: ein Kollegheft, Marginalien, Extra-Zettel, Notizen und weitere Anmerkungen. Eine historisch-kritische Gesamtedition, die auch die Weiterentwicklung der einzelnen Vorlesungen darlegt, steht noch aus.
Von der Edition erhofft sich das Team nicht nur neue Impulse für die Forschung zu Schleiermacher sowie zur Theologie und Philosophie des 19. Jahrhunderts. "In den Vorlesungen Schleiermachers finden sich auch Anknüpfungspunkte zur modernen Soziologie, zum Beispiel der Systemtheorie. Sie verzahnen im Grunde Gesellschafts- und Kommunikationstheorie", so Dierken. Die vier Projektpartner sind seit Langem etabliert in der Schleiermacher-Forschung: Gemeinsam haben sie bereits an der kritischen Gesamtausgabe der Werke Schleiermachers gearbeitet. Halle ist zudem der Sitz der Internationalen Schleiermachergesellschaft, in der sich die Partner engagieren. (red)

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