Sozialarbeit
Forscher: Soziale Arbeit wegen Personalnot am Ende
Fulda (epd) - Nach Ansicht des Forschers Nikolaus Meyer stehen die Einrichtungen der Jugendhilfe bundesweit wegen Personalmangels vor dem Kollaps. In einem Gastbeitrag für den Fachinformationsdienst «epd sozial» schreibt der Fuldaer Professor, in allen Bereichen der Sozialen Arbeit fehlten Fachkräfte. Das System sei bereits heute völlig überlastet und vertrage «die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagesbetreuung 2026/27 zum jetzigen Zeitpunkt nicht, denn das Personal ist am Limit». Meyer ist Professor an der Hochschule Fulda und forscht zur Profession und Professionalisierung der Sozialen Arbeit.
Die Ganztagsbildung, seit gut 20 Jahren vorangetrieben, sei aus sozial- und arbeitsmarktpolitischer Sicht begrüßenswert, nicht jedoch aus Sicht der Sozialen Arbeit. Bereits heute sei der Personalmangel in Kindertagesstätten so hoch, dass viele Einrichtungen verkürzte Öffnungszeiten anbieten müssen. «Studien der Bertelsmann-Stiftung zeigen zudem: Von den notwendigen Personalressourcen für eine fachwissenschaftlich begründete Begleitung von Kindern sind wir weit entfernt», so Meyer. Es brauche dringend eine bundesweite Strategie, dieses Problem in den Griff zu bekommen.
Bereits vor der Corona-Pandemie habe flächendeckend Personalmangel aufgrund des fehlenden Aufbaus von Ausbildungskapazitäten zwischen Mitte der neunziger und Mitte der 2000er Jahre geherrscht. «Die zu kleine Zahl an Fachkräften trifft nun nach der Pandemie auf mehr Unterstützung suchende Nutzer und komplexere Problemlagen bei den bereits bekannten Nutzern.»
In einigen Bereichen wie den Inobhutnahmestellen für Kinder und Jugendliche, die vom Jugendamt aus ihren Familien herausgenommen wurden, hat laut Meyer in den vergangenen zwölf Monaten die Hälfte der Teams die Einrichtungen verlassen. «Neue Mitarbeitende werden aufgrund der herausfordernden Arbeitsbedingungen, wie Schichtdienst oder Arbeit mit psychisch belasteten Nutzern, gar nicht erst gefunden.»
«Unsere bundesweiten Studien zeigen, dass über 62 Prozent der Beschäftigten in nahezu allen Bereichen der Sozialen Arbeit häufig oder sehr häufig an der Belastungsgrenze arbeiten.» Über 42 Prozent der Beschäftigten müssten regelmäßig auf die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen verzichten, gingen krank zur Arbeit (45
Prozent) oder leisteten wiederkehrend Überstunden und Mehrarbeit (80 Prozent), um die Hilfesuchenden weiter zu unterstützen und keine neuen Schwierigkeiten entstehen zu lassen.
Autor:Online-Redaktion |
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